Toten-Welt (German Edition)
Dann sind wir wieder ein Team.“
„Kommt nicht in die Tüte.“
„Dann war’s das also?“
„Schätze schon.“
„Aber mach wenigstens schnell. Ich weiß nicht, ob es nicht doch wehtut, wenn du mich ausknipst.“
Der Hase stöhnte leise, stand auf und ging mit schleppenden Schritten in die Küche. Der Gnom hörte ihn mit Zeug aus Metall herumschmeißen und ahnte, was er vorhatte. Unruhig rutsche er hin und her und begann wieder an den Fesseln zu zerren, als die schlurfenden Schritte sich näherten.
„Nicht damit!“, brüllte er, als er unter dem Rand des Jutebeutels ein spitzes Sägemesser in der Hand seines Bruders erkannte. „Hol dir verdammt noch mal ne Axt oder so was und schau, dass du es mit einem Schlag hinkriegst!“
Der Hase antwortete nicht. Er kam so nah, dass der Gnom wieder Hoffnung schöpfte. Wenn er sich jetzt nach vorne warf und zubiss...
Da spürte er das Messer. Aber es war nicht die Klinge, es war der Griff. Seine Hand packte zu.
„Es dauert ein bisschen, aber damit kannst du dich selbst losmachen. Und ich hab genug Zeit, mich vor dir in Sicherheit zu bringen.“
Ronan Bergenstroh war zu Ruhe gekommen.
Wiccas Attacke hatte ihn unter heftigen Schmerzen und Zuckungen zurückverwandelt vom Kraftkerl, der er zuletzt gewesen war, in den Krebskerl, den Rollstuhlkerl, den Kohlekerl, und jetzt war er so was wie der Staubkerl. Es fühlte sich an als sei er ein Häufchen Asche auf dem Fußboden, leider immer noch beseelt.
Aber vielleicht war das sogar der natürliche Verlauf der Dinge. Er hatte ja keine Ahnung, wie es normalerweise gewesen wäre, zu sterben. Kam dann einfach nichts? Oder der Himmel? Oder ein Nachleben als Burggespenst? Oder blieb die Seele grundsätzlich in der Leiche stecken und gebannt in jedem noch so kleinen Materierest, den die Verwesung oder Verbrennung übrig ließ? Dann wäre man ja eingemauert noch besser dran gewesen. Wenn man wenigstens schlafen oder ohnmächtig werden könnte!
Ein sanfter Wind wehte über ihn hinweg und ließ seine Ascheteilchen aufsteigen und verwehen. Das tat irgendwie gut. Aber sein Bewusstsein schwächte es nicht ab. Er war da, und er wusste, wo er war. Nur konnte er nichts mehr sehen oder hören oder tun.
Konnte er nicht? Vielleicht war es an ihm, sich von der Materie zu lösen. Mit einem Ruck. Oder die Ablösung dauerte eine Weile und vollzog sich mit der Zeit von selbst.
„Ich weiß, dass Sie noch da sind, mein Bester.“
Das war Wiccas Stimme. Irgendwas passierte mit ihm.
„Das ist Teil des Fluches. Entschuldigen Sie die unwissenschaftliche Ausdrucksweise, aber ich weiß leider immer noch nicht, was ich damals eingenommen habe. Ich weiß noch die Substanzen, ja, die Kombination und Zubereitung. Wo alles herkam. Aber ein ganz bestimmter Bestandteil, tja, worum es sich dabei handelte, das ist mir bis heute ein Rätsel. Na egal. Dann wollen wir mal.“
Hob Sie ihn hoch? Ging das auf einmal und am Stück? Was, wenn sein Häufchen in alle Winde zertragen wurde?
„So, mein Freund, ich kehre Sie mal zusammen. Der Kaminsims ist der richtige Platz für Sie. Ich habe leider keine Urne, aber eine schöne alte Whiskey-Flasche ist für Sie doch sowieso der beste Aufenthaltsort. Ich bringe es einfach nicht über mich, ihre Asche im Klo runterzuspülen. Ich kann Sie zwar nicht ausstehen, aber immerhin haben Sie mich befreit und mein Schätzchen Amelie zu mir geholt. Wenn Sie nur nicht so widerborstig gewesen wären. Egal, das ist verziehen. Ich verspreche Ihnen, sollte ich einen Weg finden, Bewusstsein und Materie zu trennen, mache ich das zuerst bei Ihnen, bevor ich es bei mir selbst mache. Bis dahin bitte ich Sie um etwas Geduld.“
Er spürte, dass er in erhöhter Position zur Ruhe kam. Und, Moment mal, wenn er das spürte und ihre Stimme hörte...
Als ihm klar wurde, dass er Nichts gewesen wäre ohne jede Wahrnehmungen, dass auch Bewusstsein eine Wahrnehmung war, nämlich die seiner selbst, da sah er einen Schimmer Licht und eine schwindende Gestalt. Er sah durch braun getöntes Glas hindurch den bekannten Raum und Wicca, wie sie die Tür von außen schloss. Und wenn er sehen und hören und denken konnte, dann gab es Hoffnung.
Auch wenn es im Moment nur die Hoffnung war, dass seine Hoffnungen nicht unbegründet waren.
„Frau Bomhan, ich vergehe hier drin vor Hitze!“
Mit einem sanften Lächeln drehte sie sich um.
„Hitze? Ich merke gar nichts. Ist es zu warm bei Ihnen?“
„Die Heizung läuft auf vollen Touren und
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