Toten-Welt (German Edition)
gelingen – was immer er sich da ausgedacht hatte. Wenn er nur selbst nicht davon befallen würde.
Es begann mit einer leichten Unruhe.
Einer der Wiedergänger, ein wie ein Ochse gebauter, kahlköpfiger und vollbärtiger Schmied, der noch seine Lederschürze um den monströsen Leib geschlungen trug, strebte der burgnahen Dorfgrenze zu und hob am Waldrand die Nase in den Wind.
Äußerlich war der Riese unverletzt bis auf eine schwärende Brandwunde an der Wange. Seine Genusssucht zu Lebzeiten war ihm zum Verhängnis geworden. Maria hatte ihn behandelt, als sein Herz zum ersten Mal vom Fett erdrückt zu werden drohte. Nun war sie nicht zur Stelle gewesen. Er war, die rotglühende Klinge eines neuen Schwertes bearbeitend, nach vorn gekippt, auf der glutheißen Schwertspitze zum Liegen gekommen und dort auch wieder erwacht und aufgestanden.
Die stinkende, den nässenden Knochen frei zeigende Brandwunde im Gesicht hatte verhindert, dass er sich auf dem Weg zum Dorf eine erste Mahlzeit hätte schmecken lassen können. Der Knabe, dem er begegnete, nahm vom Gestank und der Scheußlichkeit der Entstellung Reißaus und war wohl flinker als der vor lauter eigener Körpermasse kaum bewegliche Zweimeter-Wiedergänger. Hungrig folgte er dem Rumoren der Herde und langte im Dorf an. Nun aber roch er erstmals wieder Nahrung.
Bruder Daniel schlappte heran. Seinem blöde ins Nichts stierendem Gesichtsausdruck sah man von Weitem an, dass ihm jegliches Wissen über seine einstige hochheilige Frömmigkeit gänzlich abhanden gekommen war und dass nur noch die Fressgier ihn trieb. Er verharrte neben dem Schmied und witterte mit ihm in Richtung Burg.
Der dürre kleine Mönch wagte als erster zwei Schritte über die Dorfgrenze und stachelte den Koloss mit Schürze an, ihm zu folgen. Zwei Bauern, die sich im Leben bekriegt hatten und nun nichts mehr mit sich anzufangen wussten und doch nebeneinander her und wie misstrauisch Abstand haltend das Dorf durchwandert hatten, hin und her, kreuz und quer, sahen Schmied und Mönch im Wald verschwinden, zögerten nicht und folgten ihnen.
Der ganze ziellos herumirrende, in sich und um sich zirkulierende Schwarm geriet in Bewegung und formierte sich in Richtung Burg. Inzwischen waren es Hunderte. Es sah aus, als folgten sie sich selbst und bildeten eine geschlossene Rotte. In Wahrheit richteten sie sich der Witterung nach aus, die von der Burg her ins Dorf gezogen war.
Die Witterung war nicht stark, aber sehr nah. Zu nah für diejenigen, die sie aussandten, um dem plötzlichen Angriff mehr als nur Todespanik entgegensetzen zu können.
Ohne das Gespür für Gefahren, das Friedrich Mäzenhuth von seinem Vater geerbt hatte, wären er und sein Wächter-Gefährte längst tot gewesen. Die beiden Burgmannen waren der zweite Trupp, auf fürstbischöflichen Geheiß nach Maria entsandt und inzwischen als verschollen geltend.
Karl hatte sich von dem Summen und Brausen, das vom Dorf ausging, nicht irritieren lassen. Aber Friedrich stoppte sofort, sprang ab und zog sein Pferd in die Büsche. Es klang wie ein gewaltiger Bienenschwarm. Er war oft genug im Dorf gewesen, die hübsche kleine Maid zu suchen, um zu wissen, dass da nichts war außer sie selbst und ein paar Hasen und Füchse, die sich bei Nacht auf die Lichtung verirrten. Nun aber war schon von weitem auch zu sehen, dass ein buntes Durcheinander im schwindenden Sonnenlicht herumquirlte wie ein Raum voll eingesperrter Schmetterlinge. Was war das nur?
Nur zu gerne wäre Friedrich wieder umgekehrt, aber Karl war keiner, der sich getraut hätte, Befehle zu missachten und bei der Meldung zu lügen. Es wäre so einfach gewesen: Die Maid war nicht da und kam auch nicht zurück, basta. Sie war ja schon immer selten da gewesen und lang abgeblieben. Meist kam sie dann doch irgendwann zurück. Diesmal eben nicht.
Aber Karl wollte sich versichern und in das gefährlich summende bunte Durcheinander hineinreiten. Nur mit Mühe konnte Friedrich ihn wenigstens daran hindern und zur Beobachtung in die Büsche ziehen.
Aus der ersten Entfernung freilich war gar nichts zu deuten. Also wagten sie sich ein paar zusätzliche Meter heran. Das war der Moment, als ein erster Hauch ihrer Witterung in die Nase des Schmieds stieg. Noch war da nicht abzusehen, dass sich etwas in ihre Richtung zu drängen begann. Als es dann anfing, war es für Friedrich und Karl zu spät. Sie hörten Äste knacken, sahen einen Mann sich nähern, was nicht beängstigend war, denn sie
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