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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Bretterboden und dem Spitzdach über ihr nur Luft hier oben war.
    Ganz vorsichtig stand sie auf und nutzte ihren aufrechten Stand als erhöhte Aussicht. Auch nichts. Blieb nur abschreiten – jeden Meter. Irgendwo musste er ja sein.
    Sie hätte es niemals gefunden ohne seine Kerze. Sie erinnerte sich, dass er mit dem kleinen flackernden Lichte, geschützt in einer Lampe, über die Leiter geklettert war. Danach hielt sie Ausschau, und so fand sie, im rechten hintersten Eck des Dachbodens, ein paar Bretter, zwischen deren Ritzen etwas Licht von unten heraufschien. Die Bretter erwiesen sich, da sie eines anheben wollte, als zusammengenagelt.
    Zum Vorschein kam eine Luke mit einer Leiter nach unten. Welch perfektes Versteck – wäre die Außenleiter nicht gewesen. Vor Feinden fand man hier oben nur Verborgenheit, wenn man zu zweit vorging und einer sich opferte, denn die lange Außenleiter war nicht einzuziehen. Das ging ihr durch den Kopf, wozu sie sich zwang, weil sie sich von der kurzen und doch ihre Neigung zu Höhenangst herausfordernden Innenleiter ablenken musste.
    Hermanns kleines Licht schien durch einen geduckten Gang herüber. Nun war sie irgendwo in der Mitte des Hauses in einem Stockwerk, das es offiziell nicht gab. Demnach gab es keine Außenfenster und keinerlei Nachtlicht, was Hermanns flackernde Lampe zum Leitstrahl für sie machte. Sie machte sich keine Vorstellung. Das fiel ihr auf, da sie sich der Tür näherte, auf die der Gang zulief. Die Tür war angelehnt. Sie machte sich keine Vorstellung, was hinter der Tür sein könnte, da es wohl alles übertreffen würde an Absonderlichkeit, was sie je gesehen hatte. Das war nun also doch eine Erwartung, wenn auch eine derart abstrakte, dass sie lediglich darauf hinaus lief, gleich etwas zu sehen, das sie nie gesehen und nie wieder sehen, etwas, das ihr Leben erschüttern würde.
    Und dann war es einfach nur ein Körper. Aber einer, der ihr das Blut gefrieren ließ. Wenn man das völlig Unerwartete zur Erwartung machte, war es erschütternd und banal zugleich, damit konfrontiert zu werden. Und Normalität vom zweiten Moment nach dem ersten Moment des großen Erschreckens. Aber Normalität in einem unnormalen neuen Weltbild, für dessen Erkenntnis das alte Weltbild hatte für immer untergehen müssen.
    Freilich war das längst geschehen, als ihr der erste Tote gegenübergetreten war.
     
    Auf einem großen Tisch in der Raummitte lag langgestreckt ein überdimensionaler kopfloser Körper. Das war das erste, was Maria sah, als sie um die Tür spitzte. Der Körper eines Riesen, denn verglichen mit Hermann, der gerade im Lichte seiner Lampe sich am Halsstumpf zu schaffen machte, streckten sich Arme und Beine ums eineinhalbfache in die Länge, was auch den Rumpf größer wirken ließ, obwohl der im Vergleich zu den überlangen Extremitäten gedrungen wirkte.
    Der riesenhafte Leib steckte in der Kriegerrüstung der Sarazenen. Maria wusste das, da ein fahrender Händler einst Bilder in die Stadt gebracht und wüste Geschichten gesungen hatte, da sie mit ihrer Mutter dort auf dem Markt weilte, ein kleines Mädchen noch. An Haut waren nur die Hände zu sehen, fleischig, weiß und unbehaart. Das passte nicht zusammen, ein solcher Männerkerl und die zarte Frauenhaut.
    Hermann schaute auf und sah sie sofort. Er wirkte nicht überrascht noch verärgert. Aber er schien einen Entschluss zu fassen, den er längst erwägt hatte. Maria erschrak bei seinem Blick noch mehr als über den geköpften Mann, der keiner war – kein Menschenmann.
    „Komme herein, Maria, da dein Wissensdurst größer ist als deine Treue zu mir.“
    Der Vorwurf ging unter hinter dem, was sie jetzt sah, als Hermann zur Seite trat. Auf einem zweiten Tisch, halb so groß wie der erste, lag der Kopf. Unter dem Kriegerhelm quollen grauweiße Haare hervor. Es war ein menschlicher Kopf und doch nicht, denn der Mund überragte die Länge der Nase, die mit dem Mund zu einer Art Schnauze zusammengewachsen war. Die Augen waren die eines Raubtieres.
    „Ist das ein Werwolf?“
    In dem hallschluckenden Raum erkannte sie ihre eigene Stimme kaum.
    „Das war auch mein erster Gedanke“, stimmte Hermann zu. „Aber der hier bekommt keine Haare, auch nicht bei Vollmond.“
    „Der ist ja auch geköpft und tot.“
    „Tot, wirklich? Komme näher, Maria. Sieh selbst.“
    Sie verharrte an der Türschwelle und starrte zwischen Kopf und Körper hin und her.
    „Keine Angst, er beißt nicht.“
    „Ist das überhaupt ein

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