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Totenbeschwörung

Totenbeschwörung

Titel: Totenbeschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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dies nur, um dir zu zeigen, was ein starker Wille selbst im Tod noch vermag. Und wer reicht schon an die Kraft eines Wahnsinnigen heran? Glaub mir, mein Sohn, dieser John Scofield ist stark !
    Nathan überlegte. Was könnte er schlimmstenfalls tun?
    Abermals zuckte Gormley nur hilflos die Achseln. Manche der Toten haben da ihre eigenen ... Theorien. Das heißt, rein theoretische Gedankenkonstrukte. Gott behüte, dass sie jemals Wirklichkeit werden! Aber wenn John Scofield mittels seiner telekinetischen Kräfte in der Lage wäre, das Gefüge, welches den Tod vom Leben trennt, nur weit genug zu dehnen ...
    – Dann könnte es reißen?
    – Möglicherweise. Es ist eine Theorie, mehr nicht.
    – Und wenn es reißt, was dann?
    – Dann? Mit einem Mal schwang so etwas wie Entsetzen in Gormleys Stimme mit. Das wäre das Jüngste Gericht! Dann werden nicht allein John Scofield und Tod Prentiss, sondern die gesamte Große Mehrheit aus eigenem Antrieb umherwandeln. Die Gräber werden sich öffnen und Tausende Familien aufs Grässlichste wiedervereint, wenn die beweinten Verblichenen nächtens wieder an die Tür klopfen. Unvorstellbares wäre an der Tagesordnung. Seuchen würden sich ausbreiten und die Welt zum Tollhaus werden, während die Toten Krieg gegen die Lebenden führen. Und jeder, der in diesen Kriegen fällt, wird fortan zur Großen Mehrheit der zahllosen Untoten zählen!
    Nathan dachte daran, was Ben Trask ihm über die Manifestationen in der Albtraumzone erzählt hatte. »Tote – Leichen, Zombies –, oder was von ihnen übrig ist, wandeln durch die Straßen und brechen an den unmöglichsten Orten zusammen ...« Dabei handelte es sich natürlich um Phantome, Wiedergänger, die John Scofield mittels seiner telekinetischen Kräfte lediglich zu scheinbarem Leben erweckte.
    Doch gleich eine ganze Welt voller wandelnder Toter, die sich nur aufgrund ihres jeweiligen Verwesungsstadiums von den Lebenden unterschieden? Sir Keenan Gormley hatte recht: Das war unvorstellbar und sollte besser auch Theorie bleiben!
    Denn die Toten dieser Welt waren anders als diejenigen der Thyre in den endlosen Glutwüsten der Sonnseite. Der Nomadenstamm der Thyre war sanftmütig und weitaus zivilisierter, als seine Lebensumstände es ahnen ließen. Als der Älteste Rogei, Nathans erster Bekannter unter den zahllosen Toten der Thyre, sich – oder vielmehr seinen mumifizierten Leichnam – von der Nische in der Höhle der Alten geschleppt hatte, um Nathan beizustehen, hatte Nathan dabei keine Furcht empfunden. Keinerlei Verwesungsgeruch hatte die Aktion begleitet, geschweige denn der Gedanke, irgendeine böse Absicht könne im Spiel sein. Bei jedem anderen Toten der Thyre wäre dies ähnlich gewesen.
    Doch in dieser Welt, unter diesen Menschen?
    In dieser Welt gab es Psychopathen, Terroristen, Vergewaltiger, Brandstifter und Mörder. Und das waren die noch halbwegs Normalen! Dann gab es da noch die anderen, deren Gedanken selbst denen der Wamphyri in nichts nachstanden. Im Tod waren solche Menschen nicht weiter von Belang! Die Große Mehrheit schloss sie aus, ließ sie ganz einfach links liegen. Doch was würde in jener von Keenan Gormley als rein theoretisch postulierten Welt voller Untoter aus ihnen werden? Dieselben Ungeheuer wie zuvor? Kriegsherren? Oder ganz gewöhnliche Verbrecher? Und was war mit dem Rest von Trasks »Poltergeistaktivitäten«? Was mit den Haustieren, die unvermittelt durchdrehten, was mit den sich plötzlich entzündenden Bränden, die ebenso rätselhaft wieder erloschen, wie sie ausgebrochen waren? Was mit den übel riechenden Nebeln, die sich von Friedhöfen erhoben? Und so weiter ...
    Sollte all dies nur der Auftakt zu weit Schlimmerem sein?
    Trask legte Nathan die Hand auf die Schulter. Dieser zuckte zusammen. Er blickte hoch, in Trasks Gesicht, dann wandte er sich wieder der öden, winterlich grauen Straße mit ihren verschlafen wirkenden Häusern und Ladenfronten zu, an denen der Wind Bonbonpapier und Zeitungsfetzen vorübertrieb.
    »Hier ist es«, sagte Trask und hielt ihm die Wagentür auf. »Das Epizentrum. Das Herz der Albtraumzone. Da drin ... hat alles angefangen!« Damit wies er auf die verfallene Polizeiwache. Über der reichlich mitgenommenen Eichentür, deren obere Hälfte zwei schmale, eigens verstärkte Fenster ausmachten, hing eine altmodische Laterne, in Gusseisen gefasste, blaue Rauten aus Glas, die meisten davon bereits eingeschlagen, ein paar erhoben sich noch wie Zahnstummel aus ihrem Rahmen.

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