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Totenbeschwörung

Totenbeschwörung

Titel: Totenbeschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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Knochenthron war ungeheuer, gigantisch. Es handelte sich um den skelettierten Unterkiefer einer gewaltigen, in grauer Vorzeit ausgestorbenen Kreatur, den Wratha sich gemeinsam mit den Möbeln und übrigen Einrichtungsgegenständen der Wrathspitze an dem Tag angeeignet hatte, an dem sie aus Turgosheim an diesen verlassenen, verwahrlosten Ort gekommen war. Zumindest hatte die Stätte damals leer gestanden. Doch nun war, hauptsächlich aufgrund von Wrathas Bemühungen, eine abscheuliche Art von Leben in sie zurückgekehrt.
    Da Wratha sich bereits niedergelassen hatte, als ihre Knechte die Gäste in den Großen Saal geleiteten, erhob sie sich noch einmal kurz und brachte so etwas wie eine Entschuldigung vor.
    »Ich hatte die Tafel für fünf decken lassen. Da es nun so aussieht, als wären wir zu sechst, legen meine Dienerinnen noch ein weiteres Gedeck auf – oder auch zwei, denn es ist ja immerhin möglich, dass Canker seiner Verpflichtung doch noch nachkommt. Wran Todesblick, als Sieger steht dir der Sessel direkt gegenüber dem meinen zu, schließlich bist du heute der Ehrengast. Ihr anderen ... mögt Platz nehmen, wo es euch beliebt.«
    Sklavinnen huschten hin und her, legten Gedecke auf und verschwanden dann aus dem Blickfeld. Wran nahm gegenüber von Wratha am anderen Ende der Tafel Platz, wie die Lady vorgeschlagen hatte, und bedeutete Nestor, sich ungefähr drei Sessel weiter zu seiner Linken zu setzen. Nestor tat wie geheißen. Er setze sich und wusste nicht recht, was er mit sich anfangen sollte. Der Sessel war für einen Mann oder vielmehr einen Lord der Wamphyri ausgelegt. Als Nestor darin saß, kam er sich vor wie ein kleiner Junge. Mit der Zeit würde sein Vampiregel, der sich aus Vasagis Ei entwickelte, darum kümmern. Sein Körper würde wachsen, sich verwandeln und sich ausdehnen. Doch vorerst ... nun, zumindest konnte er versuchen, wie ein Lord zu denken.
    Spiro Todesblick saß links von Nestor. Fünf oder sechs Stühle trennten die beiden. Gegenüber von Spiro nahm Gore Saugersknecht Platz, und Gorvi der Gerissene schob sich gegenüber von Nestor in einen Sessel. Auf dem Tisch lagen auf hölzernen Platten, die zu flachen Schalen ausgehöhlt waren, mit Widerhaken versehene, zartgoldene Ess-Spieße. Vor Wrathas Gästen standen lederne Trinkbecher und mehrere große, irdene, mit Szgany-Mustern verzierte Krüge. Sie enthielten frisches Wasser beziehungsweise dünnen Wein, um die Becher zu füllen. Wratha hütete sich davor, ihnen etwas Stärkeres zu kredenzen. Ihr eigener Teller und ihr Pokal bestanden aus purem Gold. Sie wusste, wie sie es anstellen musste, damit ihre Gäste sich klein und unwürdig vorkamen.
    Das Essen war nicht gerade üppig zu nennen – kurz angeschmorte Herzen, Nieren und Lebern von Bergziegen und vier neugeborene Wölfe am Spieß, beträufelt mit einer Soße aus der Milch ihrer Mutter, ihrem Blut und Urin. Individuelle oder Sonderwünsche wurden nicht berücksichtigt. Das Essen war lediglich ein Ausdruck von Wrathas Gastfreundschaft. Normalerweise stärkten die Wamphyri sich je nach Geschmack, Gewohnheit und persönlicher Vorliebe in den ersten Stunden nach Sonnunter. Was ein Traveller zu dieser Stunde als Frühstück betrachtet hätte, war etwas völlig Neues für sie.
    Nestor dagegen hatte Hunger. Zum letzten Mal hatte er eine ganze Weile vor Sonnunter, in Brad Bereas Hütte, ordentlich gegessen. Nach den Maßstäben einer Parallelwelt jenseits des Tores von Starside – welche die Szgany wie die Wamphyri als Höllenlande bezeichneten, weil seit undenklichen Zeiten noch nie jemand von dort zurückgekehrt war – entsprach das einem Zeitraum von vier Tagen. Nestor hatte davon natürlich keine Ahnung. Aber er wusste, dass er seit Sonnunter in den Wäldern lediglich ein paar Nüsse und etwas wild wachsendes Obst zu sich genommen hatte, kaum genug, um Leib und Seele zusammenzuhalten. Nun, jetzt war es zu spät, sich Gedanken um seine Seele zu machen; aber zumindest sein Körper musste weiterexistieren.
    Außerdem war sein Geist, auch wenn er sich an so gut wie nichts zu erinnern vermochte, was vor der Zeit geschehen war, die er bei den Bereas verbracht hatte, vollkommen geheilt und wieder in der Lage, alles aufzunehmen. Das Ei des Parasiten bewirkte dies. Es brauchte ihn stark und schlau, sodass er ständig dazulernte. Es hatte in ihm die Fähigkeit, ja das Bedürfnis entfacht, alles von Neuem zu lernen. Und da er ohne Vergangenheit quasi ein unbeschriebenes Blatt war, sog sein

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