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Totenbeschwörung

Totenbeschwörung

Titel: Totenbeschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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östlich von Turgosheim geraten. Dort hatte es sich wohl an einer Spore infiziert und war zu einem Vampirwesen geworden. Von da aus ergaben sich mehrere Möglichkeiten:
    Entweder hatte es jemanden gebissen oder angefallen und so eine wölfische Variante des Vampirismus weitergegeben. Vielleicht hatte sich aus der Vampirspore in dem Wesen ein Egel entwickelt, der sein Ei dann auf einen Menschen übertrug, der in der Folge Wamphyri wurde und in Turgosheim zu Ehren kam. Vielleicht hatte aber auch ein Vampir mit einer Hündin, Füchsin oder Wölfin Junge gezeugt – nicht notwendigerweise auf dem üblichen Weg. Wahrscheinlich hatte er das Tier gebissen, als es trächtig war. Oder aber – stellte man Cankers Vorlieben in Rechnung – sie hatten sich tatsächlich gepaart ...
    Wie dem auch gewesen sein mochte, seither hatte man noch jedem Angehörigen der Familie die hybride Abstammung angesehen, und keinem so sehr wie Canker Canisohn. Wenn er leicht nach vorn gebeugt dastand, was seiner normalen Haltung entsprach, war er so groß wie ein hoch gewachsener Mann. Doch seine Gliedmaßen standen in keinem Verhältnis zum Rest des Körpers. Die wuchtigen Schultern, die kräftige Brust und die gewaltigen Oberschenkel wollten nicht so recht zu den schlanken, sehnigen Armen passen, die eher den Vorderläufen eines Wolfes glichen.
    Cankers Hände ... waren schlicht und einfach Hände. Doch bei den plumpen Füßen mit den überentwickelten Ballen handelte es sich eindeutig um Pfoten. Anstelle von Finger- und Zehennägeln besaß er Klauen. Auch wenn sein Gesicht und der Kopf im Grunde genommen menschlich waren, erinnerten die lang gestreckten Kiefer und die gefährlich aussehenden Reißzähne, die dreieckigen Augen und spitzen Ohren doch erschreckend an einen Hund. Letztere konnte er nach allen Seiten bewegen. Sie waren dicht mit Pelz bewachsen und verrieten seine jeweilige Stimmung. Canker trug den Namen jener Krankheit des Innenohres, die seinen Vater in den kläffenden Wahnsinn und schließlich zum Selbstmord getrieben hatte. Mit Hilfe seiner gestaltwandlerischen Fähigkeiten – und einem kleinen bisschen Gewalt – hatte er seine Ohrläppchen dazu gebracht, sich in sonderbare Windungen und Muster zu legen, unter denen sich auch sein Wappenzeichen, die Mondsichel, befand.
    Canker hatte borstiges, rotes Haar. Seine Augen waren nicht minder rot, konnten in der Dämmerung oder im Dunkeln aber genauso gut gelb leuchten. Sein Gang war eher ein ausschreitendes Streunen denn ein Gehen. Hin und wieder ließ er sich auf alle viere nieder, nur um sich sofort wieder mühelos und geschmeidig aufzurichten. Wenn er lachte, klang es fast wie das Heulen eines Hundes. Dabei riss er den Rachen weit auf, warf den Kopf in den Nacken und schüttelte sich von Kopf bis Fuß ...
    Im Augenblick lachte er, in erster Linie über die zutiefst betroffenen Gesichter seiner Mit-Lords. Doch in dem Maß, in dem sein Lachen erstarb, zogen sich die drahtigen Brauen über der langen, ausgeprägt gekräuselten Schnauze zu einem Stirnrunzeln zusammen, und seine Stimme wurde zu einem grollenden Knurren. »Was ist hier eigentlich los? Habt ihr etwa schon ohne mich angefangen?«
    »Auf den Bergspitzen zeigt sich bereits das goldene Licht des Tages, Canker«, bemerkte Wratha, ohne die Miene zu verziehen. »Du kommst zu spät. Für jemanden, dessen Träume in die Zukunft reichen, scheinst du dich herzlich wenig um die Gegenwart zu scheren. Du hast nicht das geringste Gespür dafür, was sich geziemt. Doch wo du schon einmal hier bist, willst du nicht Platz nehmen?«
    »Zu spät?« Witternd sog er die Luft ein und ließ den Blick über die Tafel schweifen. »Wirklich? Wenn das so ist, müsst ihr mich entschuldigen. Ich diene der Mondgöttin, wie ihr wohl wisst, und zwar mit größtem Eifer. Zu Ehren meiner silbern am Himmel leuchtenden Herrin konstruiere ich gerade ein ... Musikinstrument!« Damit hob er eine Knochenflöte an seine feuchten Lippen, entlockte ihr ein paar durchdringende Töne und war mit einem Satz an einem Sessel zwischen Nestor und Spiro. Canker setzte sich und warf die Flöte auf den Tisch. »Dies hier hat mich dazu inspiriert.«
    Die Flöte rollte über die Tischplatte, bis sie zwischen Nestor und Gorvi dem Gerissenen liegen blieb. Gorvi streckte die Hand nach ihr aus, besah sie sich von allen Seiten und sagte: »Darin hast du deine Inspiration gefunden? In einem Szgany-Spielzeug?«
    »Nein.« Canker schüttelte den Kopf und blickte ihn missmutig an.

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