Totenblick: Thriller (German Edition)
werden. Sie erhalten Einweisung in ein Nachtsichtgerät, damit Sie die Augen der Opfer im Dunkeln entnehmen können«, erklärte Bernanke.
»Ich werde es trainieren. Das bedeutet eine gewisse Umgewöhnung«, warf er ein.
»Meine Empfehlung ist, dass Sie sich damit beeilen. Der Mörder verkündete zwar, sich zurückzuhalten, aber wer glaubt schon einem Wahnsinnigen?«
»Ich gebe alles, Kriminalhauptkommissarin.« Rether schaltete den Laptop aus und klappte ihn zu.
»Gut. Ich sorge dafür, dass Sie alles bekommen, was Sie zum Üben brauchen.« Sie stand auf.
Rether packte den Computer weg und erhob sich ebenfalls. Er reichte ihr gerade bis an die Brüste. Sie fragte sich, wie er Operationen durchführte. Gab es Stufen und Klappleitern für kleine Mediziner?
»Oh, ich habe meinen Assistenten an der Uni den Auftrag gegeben, weitere Experimente an Kaninchen und Fröschen vorzunehmen. Sie sollen neue Methoden prüfen, wie man die Netzhäute noch stabilisieren könnte. Große Kälte, sprich Schockfrosten, könnte eine Zwischenlösung darstellen, um das Rhodopsin am Zerfall zu hindern.«
Sie erinnerte sich an das gefrorene Stierauge. Es lag noch immer in der Rechtsmedizin. Als sie Rether darauf hinwies, bat er sofort um eine Aushändigung. »Ein Kollege von der Streife wird Sie zu Ihrem neuen Zuhause bringen, bis der Bildermord-Fall gelöst ist. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie der absoluten Schweigepflicht unterliegen, Doktor Rether.«
»Ich bin Arzt.«
»Sehr gut. Dann auf gutes Gelingen. Morgen früh um neun erwarte ich Sie mit Ihrem Vortrag vor der Mannschaft. Wir fahren die Infoveranstaltung in zwei Durchgängen.«
»Ich bin da.«
Sie verabschiedeten sich, und Bernanke kehrte in ihr Büro zurück. Sie überlegte, was sich wohl in den Augen der bisherigen Opfer befunden hatte, das sie nicht mehr erfuhren.
Das Gesicht des Mörders womöglich?
Oder sein Name?
Das wäre zu schön, um wahr zu sein.
Frida Bernanke zog die Schublade auf und nahm eine Schachtel Zigaretten heraus. Eine schlechte Angewohnheit, aber es ging nicht ohne die Glimmstengel. Das Nikotin entspannte sie zwischen den Fällen. Sie wusste, dass es ihr Gesicht älter machte, aber der Rest von ihr konnte sich sehr gut sehen lassen. Exzessiver Sport machte den Kopf frei und verbrannte das Fett.
Sie öffnete das Fenster, setzte sich auf die Bank und ließ Leipzigs Abendgeräusche herein.
Die Glocken läuteten, die Luft roch nach Schnee und Weihnachten. In dem Trubel auf den Märkten schlich unerkannt der Verrückte herum und hielt womöglich Ausschau nach seinen nächsten Zutaten.
Sie machte sich den internen Vermerk, die Spur mit den schwarzgekleideten Gestalten nicht aus den Augen zu verlieren.
Denn: Warum sollte es sich nur um einen Mörder handeln?
Bei dem Aufwand, der betrieben wurde, könnte es eine Arbeiterbrigade sein. Für das Auftauchen bei Korff hatten sie eine Art Frontmann, der ihr bester Kämpfer war. Eine gute Methode, um abzulenken.
Sie steckte sich die Zigarette an und sog den Rauch ein, als wäre es reine Luft.
Bald hatte sie den Fall gelöst. Das fühlte sie.
***
Kapitel 13
Leipzig, Süden, 6. Dezember
B rauchen wir sonst noch was aus dem Wagen?« Richard Adam sah zu seinem SpuSi-Kollegen Pilz, der in der weißen Schutzkleidung auf dem Boden kniete und wie ein fetter Engerling wirkte. Er suchte nach Dreckpartikeln, die aus den Schuhen des Maskierten stammen konnten – ein möglicher Hinweis, wo er sich überall herumgedrückt hatte.
Als Pilz verneinte, ging Adam los, raus aus dem Ars Moriendi und zum grauen Transporter, in dem die SpuSi ihre Ausrüstung in Regalen und Schubfächern verstaut hatte.
Er schob unterwegs die Kapuze von seiner aschfahlen Halbglatze und kratzte sich im Nacken. Routine, und erfreulicherweise ohne mit dem Totenblick konfrontiert zu werden. Welche Erleichterung!
Bei allem Kram, den Adam in das Bestattungsinstitut hineingeschleppt hatte, war das Döschen mit dem Pulver zur Sichtbarmachung eventueller Fingerabdrücke natürlich leer gewesen. Er dachte an den Asterix-Band, in dem irgendein Statthalter Giftringe trug, von denen fast alle leer waren, als er sie einsetzen wollte. Man sollte sie sofort nach Gebrauch nachfüllen, so oder so ähnlich hatte es der dicke Typ gesagt. Da hatte er recht. Immerhin gab es im Wagen Nachschub.
Scheinwerfermasten waren aufgestellt, Taschenlampenstrahlen drangen bis in die finsterste Ecke vor. Auf dem Gelände des Bestattungshauses liefen
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