Totenblick: Thriller (German Edition)
möchte festhalten, dass ich dieses Mal schon wieder als Erster am Tatort war.« Diese Spitze musste einfach sein, bevor er auflegte.
Seine dunklen Augen richteten sich auf den blitzenden Ring auf dem Tresen. Langsam nahm er ihn auf und streifte ihn sich über den Finger.
Seine Show hatte den Mörder beeindruckt. Von dieser Show würden die Ermittler auch nichts erfahren. Er würde nur erzählen, dass er dem Maskierten mit dem Tode gedroht hatte. Buchstäblich. Ein Geheimnis, das sehr wenige Menschen kannten. Das sollte so bleiben.
Aber er würde Marna um einen Gefallen bitten müssen. Einen sehr großen Gefallen. Korff wollte die Meinung des Schnitters zu einem ganz bestimmten Thema erfahren.
Er ging in den Aufenthaltsraum seiner Belegschaft und schaltete den Kaffeeautomaten ein. Die SpuSi und Bernanke würden sich freuen, zwischendurch etwas Belebendes zu trinken, während sie ihrer Arbeit nachgingen.
Korff musste grinsen. Etwas Belebendes in einem Bestattungsunternehmen auszuschenken, das war ein herrlich makabres Paradoxon.
***
Leipzig, Südvorstadt, 6. Dezember
»Schick die SpuSi zum Bestatter. Zu diesem Korff. Die Adresse ist …«, sagte Bernanke zu ihrem Kollegen gegenüber, konnte sich aber nicht erinnern, wo das Ars Moriendi lag. Prager Straße? Sie kannte sich in Leipzig nicht gut genug aus.
»Finde ich raus.« Er nickte und hob den Hörer. »Willst du mit?«
»Nein. Ich treffe mich gleich mit dem Neuzugang, den uns das KTI organisiert hat. Diesem Augenarzt.« Sie stand auf und warf sich die Lederjacke über. »Sag denen, sie sollen gründlich sein. Ich will, dass sie alles Lose einsammeln und DNA-Material von den Mitarbeitern des Instituts als Abgleich nehmen.«
Die 43-Jährige verließ ihr Büro und ging in den Besprechungsraum eins, in dem vor kurzem noch der Abgesang auf Rhode stattgefunden hatte.
Sie mochte es nicht wirklich, einen Kollegen von einer Dienststelle aus seinem Amt zu jagen, doch es ging um Menschenleben. Der Hauptkommissar war nicht fähig gewesen, daher bekam er die Quittung.
Bernanke kannte wenig Mitleid, ersparte sich aber Vorwürfe gegen den glücklosen Kollegen, der dem Druck der Medien sowie sich selbst zum Opfer gefallen war. Sie betrachtete sich als Profi. Dass ein Mann mit akutem ADHS, das er trotz Medikamenten nicht im Griff hatte, den Fall betreuen durfte, verstand sie von Anfang an nicht. Ein Versäumnis des örtlichen Polizeipräsidenten!
Wahres Pech bedeutete es, dass Rhode ausgerechnet an dem Tag, an dem er auf die Optographie-Theorie und etwas Brauchbares gestoßen war, herausgekickt wurde.
Die Hauptkommissarin vom LKA Sachsen hatte das Optogramm zwar zunächst verlacht, doch das Dossier des KTI sorgte dafür, dass sie ihre Meinung rasch änderte. Die Methode, um die Informationen von der Netzhaut der kommenden Opfer abzulesen, schien gefunden.
Bernanke hatte umgehend gehandelt und alle Hebel in Bewegung gesetzt. Das hatte zur Folge, dass sich Doktor Manuel Rether als Dauergast im Präsidium aufhielt. Mit freundlichen Empfehlungen des KTI.
Er war Ophthalmologe, was sich mit Augenheilkundler übersetzen ließ. Rether leitete die Abteilung des Universitätskrankenhauses und fühlte sich offenbar fachkundig genug, um helfen zu können.
Sie trat in den Besprechungsraum, in dem es nach Kaffee und seinem Aftershave roch, einem klassischen sportlichen Männerduft. Doch seine gedrungen-gemütliche Gestalt passte nicht dazu. Ihr fiel sofort der wache Blick auf, in dem sie die Vorfreude ablesen konnte. Vor dem Spezialisten standen ein aufgeklappter Laptop sowie eine Tasse Kaffee. »Guten Abend, Herr Doktor Rether.«
Er erhob sich und reichte ihr die Hand. »Hallo, Frau Hauptkommissarin.« Seine Stimme klang kratzig, als sei er schon eine Weile sehr heiser. Er musste jenseits der 50 sein, die schütteren graubraunen Haare waren nach hinten gelegt und ließen die Kopfhaut durchschimmern.
Bernanke setzte sich und nahm eine Cola, öffnete sie und trank direkt aus der Flasche. »Bevor sie den Einsatzkräften und meiner SoKo erklären, wie man den letzten Blick der Opfer sichtbar machen kann, würde ich es gerne zuerst hören. Um Sie bei Ihrem Vortrag morgen vor versammelter Mannschaft zu unterstützen.«
Rether lachte auf. »Ich weiß, was Sie denken, Frau Kriminalhauptkommissarin: Sie haben Angst, ich würde Fachlatein reden, ohne dass jemand davon einen Nutzen hat.«
Bernanke grinste. »Vielleicht?« Er hatte sie ertappt.
»Wollen wir es mal versuchen.« Der
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