Totenblick: Thriller (German Edition)
»Indem man einen Weg findet, mit ihm zu kommunizieren.« Hochwerfen, auffangen. »Indem man ein ganz besonderer Mensch ist.« Behutsam legte er den Ring auf die Ablage des Empfangs, es klickte dabei leise. Wieder fiel der silberne Schimmer der Nachtgestirne darauf.
Korff richtete sich auf, sah versonnen auf das Schmuckstück und schwieg. »Ein altes Stück. Historisch und sehr wertvoll. Das Weiße auf der Trägerplatte besteht aus dem Gebein eines Heiligen, sagt die Legende.«
Der Unbekannte verharrte unbeweglich. Das unerschrockene Verhalten des Bestatters schien ihn aus dem Konzept zu bringen.
»Wissen Sie, was gerade geschehen ist?«
»Sie haben den Ring abgenommen?«, entgegnete der Maskierte abwartend.
»Ganz recht. Aber ich tat mehr als das. « Korff lächelte kalt. »Ich habe den Gevatter gerufen. Er wusste in der gleichen Sekunde, dass ich meinen Schmuck nicht mehr trage, und wie ich vorhin bereits erwähnte: Ich bin ein besonderer Mensch.«
Der Unbekannte regte sich noch immer nicht. »Sie … sind sehr merkwürdig.«
»Oh, Sie haben keine Ahnung, wie merkwürdig ich bin.« Korff sah auf seinen Ring. »Es wird nicht lange dauern, und er weiß, was Sache ist. Dann kommt er vorbei und schaut nach, warum ich den Ring abgelegt habe. Der Gevatter wird das alles andere als gut finden. Das hat gravierende Auswirkungen für die Umgebung. Für alles Leben um mich herum.« Korff zeigte nach links, wo sich die Kühlfächer befanden. »Den Toten wird nichts geschehen. Mir wird ebenfalls nichts geschehen.« Er sah zum Vermummten, sein Blick wurde hart. »Aber Sie werden das letzte Mal atmen. Das ist vermutlich besser für Leipzig.« Er machte einen Schritt nach vorne. »Möchten Sie einen Kaffee, während wir auf den Tod warten?«
Jetzt wich der Unbekannte leicht humpelnd nach hinten.
»Was ist los?« Korff zog die Augenbrauen zusammen, setzte einen Fuß vor den anderen. »Fürchten Sie sich?«
Der Mann ging schneller zurück. »Bleiben Sie stehen, Korff!«, zischte er. Als Warnung ließ er einen knisternden Lichtbogen zwischen den Elektroden entstehen.
»Wieso? Ich muss keine Angst vor Ihnen haben. Sie können mich nicht töten.« Er breitete langsam die Arme aus. »Hören Sie ihn? Hören Sie den Gevatter, wie er herbeieilt?«
»Zurück!«
»Er wird nicht als Schatten mit Kapuze und Sense erscheinen. Es wird ein Geräusch sein, das Ihnen Panik einflößt, das Ihnen die Luft abschnürt, das Ihnen Gänsehaut verursacht und Ihr Herz gefrieren lässt – und in der gleichen Sekunde sind Sie tot!« Korff hatte ihn beinahe erreicht. »Wie trinken Sie Ihren Kaffee? Milch? Zucker?«
Mit einem Fluch warf sich der Maskierte herum und rannte hinkend, aber sehr flink los, durch die Verbindungstür in den Korridor, der zum Ausgang führte. Klackend fiel der Durchgang ins Freie hinter ihm zu.
Korff rannte ihm hinterher, doch der Mechanismus blockierte. Fluchend suchte er nach dem Schlüssel, vergeudete wertvolle Sekunden bei der Verfolgung.
Als er in die Nacht hinaustrat, entdeckte er den Vermummten nicht mehr. Es gab kein Rascheln von Schritten, kein Motorengeräusch. Der Mann schien sich irgendwo auf dem Gelände verborgen zu haben.
»Sie können mir entkommen, aber der Tod wird Sie finden!«, rief Korff und unterließ es, sich auf die Suche zu begeben. »Lange wird es Sie nicht mehr geben, das verspreche ich Ihnen. Die Maske schützt Sie nicht vor dem Gevatter. Er kennt alle Menschen.«
Er wandte sich um und kehrte ins Ars Moriendi zurück, ging in den Empfangsraum und hob den Hörer ab, suchte Bernankes Visitenkarte mit ihrer Dienstnummer und wählte. Die Polizei würde sich dafür interessieren, wer ihm heute einen Besuch abgestattet hatte. Vielleicht fanden sich sogar verwertbare Spuren, woran er aber nicht recht glaubte.
Es war ihm lieber, die Spezialisten rückten jetzt in der Nacht an als morgen früh, mitten im Geschäftstreiben. Die Trauernden sollten nicht durch die Anwesenheit der Beamten gestört werden.
»SoKo Bildermorde, Kommissar Schwarz«, meldete sich eine Stimme.
»Guten Abend. Hier Konstantin Korff vom Ars Moriendi «, antwortete er und erstattete einen ersten kleinen Bericht, um den Beamten aufmerksam zu machen, woraufhin ihn der Kriminaler rasch mit Bernanke verband.
Die LKA-Ermittlerin klang wenig erfreut, dass sie schon wieder mit ihm zu tun hatte, aber als er ihr schilderte, was geschehen war, sagte sie: »Bis gleich, Herr Korff. Wir rücken zu Ihnen aus.«
»Danke. Aber ich
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