Totenblick: Thriller (German Edition)
lösen, und eine andere, die Informationen darauf zu erkennen. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf der Arbeitsplatte herum, ohne den Takt zu finden.
Stern, 47 Jahre, untersetzt und mit kurzen dunkelblonden Haaren, hatte sich freiwillig für den Job gemeldet, bevor jemand bestimmt werden konnte. Es reizte ihn, dem Wahnsinnigen von Leipzig auf die Spur zu kommen.
Als er von der Methode gehört hatte, wie man Bilder in den Augen der Toten fixieren konnte, und dass ihr Gesuchter auf diese Weise Botschaften hinterließ, wusste er, dass dieser Fall genau seinen Geschmack traf. Es schreckte ihn nicht, dass man als Ermittler sehr schnell auf die Abschussliste des Täters geraten konnte. Stern musste eben schneller sein.
Man hatte ihm zweihundert Untergebene der Polizeidirektion, von LKA und BKA zur Seite gestellt, um den Mörder dingfest zu machen. Inzwischen gab es brauchbare DNA, jedoch noch keinen Verdächtigen, um einen Abgleich vornehmen zu können.
Stern würde das ändern. Rasch.
Rether hatte beste Arbeit geliefert. Nachdem er die Augen der drei ermordeten Polizisten herauspräpariert hatte, legte er sie in Lauge ein und zog die Netzhäute mit größter Achtsamkeit nach 24 Stunden auf die Porzellankugeln auf.
Das Ergebnis fiel ernüchternd aus. Muster und Gekritzel waren zwar mit viel Phantasie zu erkennen, doch so einfach wie Notizen auf einem Blatt Papier konnte es nicht abgelesen werden.
Danach war Rether zusammengebrochen. Er musste erst verkraften, dass er dem Tod in dem eingestürzten Silogebäude nur knapp entgangen war.
Trotz seines angegriffenen psychischen Zustandes versicherte der Arzt, jederzeit einsatzbereit zu sein. Ein Anruf genügte, und der Helikopter brachte den Mann zur nächsten Augen-OP, in der es nicht darum ging, die Sehkraft des Patienten, sondern das Rhodopsin zu erhalten.
Stern hatte die äußerst vagen Resultate der Netzhäute digitalisieren und an die Mitarbeiter des KTI senden lassen.
Die Enttäuschung, die beim ersten Betrachten eingetreten war, hielt sich. Es sah so aus, als würden die Prozessoren verglühen, anstatt etwas Brauchbares aus den Linien zu errechnen. Mal erinnerten die Computervorschläge an Kinderzeichnungen, dann an falsche Übertragung vom Chinesischen ins Deutsche mit Hilfe eines schlechten Dolmetschers. Nichts ergab nur annähernd so viel Sinn, dass es etwas mit den Morden zu tun hatte.
Die Zeit verstrich.
Der KTI-Spezialist summte eine Melodie vor sich hin, während er sich weiterhin abmühte, das Rätsel zu lösen.
Stern las derweil auf seinem Smartphone Info-Mails von den verschiedenen Ermittlungsteams. Die Truppe auf dem Gelände der VEB Backwarenkombinat arbeitete in Schichten rund um die Uhr, um zu sichern, was es zu sichern gab, bevor ein Regenguss den entscheidenden Hinweis wegspülte. Bislang: nichts, was sie voranbrachte.
Dass der Täter Zugang zu Sprengstoffen hatte, machte alle nervös. So routiniert und sicher, wie der Mann damit hantierte, musste man auf jemanden schließen, der Kontakt zu Terroristen hatte. Oder eine Vergangenheit in einer militärischen Spezialeinheit oder als Söldner oder gar eine Ausbildung als Sprengmeister, was Stern als unwahrscheinlich ausschloss.
So oder so: Die Allgemeinheit schwebte in großer Gefahr. Noch eine zusätzliche Motivation. Niemand wusste, welche Register der Wahnsinnige als Nächstes zog.
Sterns Handy meldete sich, die SpuSi wollte etwas von ihm. War der letzte Tatort doch ergiebig gewesen? »Chefermittler Stern?«
»Guten Tag, Hauptkommissar. Hier ist Lubke.«
Der Name sagte Stern nichts, aber bei knapp zweihundert Beamten konnte er nicht jeden Namen behalten. »Herr Lubke, was haben Sie bei der VEB-Ruine entdeckt?«
»VEB-Ruine? Nein, wir haben den Pick-up in Crottendorf gefunden.«
Stern sah auf den Bildschirm, auf dem nichts Taugliches erschien. Er konnte sich demnach weiter um Lubke kümmern. Ihn beschlich das Gefühl, dass der SpuSi sich wichtigmachen wollte, wenn er wegen eines Pick-ups anrief. »Herr Lubke, Sie müssen mir helfen.«
»Ah. Die Streife hat Sie nicht informiert. Na, hängt sicherlich noch in der Pipeline.«
»Herr Lubke, kommen Sie bitte zur Sache.«
»Ja, Verzeihung. Die Streife hat bei Crottendorf auf einem Parkplatz einen ausgebrannten schwarzen Pick-up gefunden, ein Toyota Hilux, schwarz, gestohlen im Oktober dieses Jahres. Auch wenn der Innenraum nicht mehr auszuwerten war, konnte ich die Beschädigungen außen sowie die Lackreste prüfen.«
»Herr
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