Totenblick: Thriller (German Edition)
Anspannung wich. 48 Volumenprozent künstliche Zuversicht schossen in seine Adern.
Seine Neugier und sein Jagdtrieb hatten ihn dazu gezwungen, sich vorher das Haus anzuschauen, das Schorsch ihm über Sangria-Kurti bezeichnet hatte.
Natürlich war ihm wieder eingefallen, wo die Straße lag. Das Gebäude war das ehemalige Hotel Bayrischer Hof , größtenteils ausgebrannt und lange verlassen, mit zugemauerten Eingängen, durch die es eigentlich keine Möglichkeit eines Eindringens gab. Es befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Böttcherstraße, wo der Bildermörder die Polizeifalle geknackt hatte.
Doch dann hatte er die schmale Lücke entdeckt, entstanden durch zwei Reihen fehlender Steine in einem Fenster, durch die er gerade so passte.
Lackmann schaute sich in der Halbruine um und entschied mit dem ersten Blick, dass sie sich nicht als Ausstellungsort für den Bildermörder eignete. Das Gebäude lag an einer vielbefahrenen Straße, es konnte nur unter großen Schwierigkeiten betreten werden und war extrem leicht einsehbar.
Dafür erkannte er frische Schuhabdrücke im Staub: Profilsohlen, zwei verschiedene Größen, eine ungefähr in 44, die andere deutlich kleiner. Dem Muster nach ähnelten sie stark denen, die auf Bernankes Gesicht gefunden wurden.
Ein Zufall?
Das Pärchen war also drin gewesen, genau wie Schorsch es gesagt hatte.
Zum Auskundschaften? Hatten sie den Bayrischen Hof ebenso als ungeeignet eingestuft wie er?
Da waren noch weitere Spuren gewesen, kleine Abdrücke, kreisrund und mit einer Art Loch in der Mitte, und zwar nur an einer Stelle.
Ein Laservermessungsgerät?
Lackmann betrat den Vorraum; eine Sekretärin blickte ihn freundlich durch eine dicke Hornbrille an. Ihre Kleidung erinnerte ein wenig an die Sechziger, war leicht retro, doch noch geschmackvoll und dezent genug für ein Bestattungsunternehmen. »Guten Tag«, grüßte er. »Ich möchte zu Herrn Korff.«
»Geht es um eine Bestattung, Herr …?«
Er zog seinen Ausweis. »Kommissar Lackmann. Ich hätte noch eine Frage zu den Vorkommnissen auf dem Gelände«, log er. Es würde die Unterhaltung beschleunigen und Korff im Unklaren lassen. Dabei nahm er nicht einmal an, dass der Bestatter selbst im ehemaligen Hotel gewesen war. Er wollte ihn überraschen, wollte sehen, wie er reagierte. Danach hörte er sich gern seine Mutmaßung an, wie die Visitenkarte des Ars Moriendi in das ehemalige Hotel gekommen war.
Die Sekretärin telefonierte kurz. »Setzen Sie sich doch noch einen Moment, bitte. Der Chef ist gerade beschäftigt und möchte die Behandlung nicht unnötig unterbrechen.«
Lackmann nickte. Er zog den Mantel aus und setzte sich, schloss die Augen und genoss die Ruhe, die im Raum herrschte. Er brauchte nicht einmal eine neue Ladung Wodka. Es ging ohne.
»Kommissar Lackmann«, hörte er plötzlich Korffs Stimme über sich, dann roch es schwach nach Desinfektionsmittel.
Lackmann konnte nicht anders, er fuhr zusammen. Er hob die Lider und sah den Bestatter vor sich stehen, der ihn anlächelte. »Hallo, Herr Korff.« Sie reichten einander die Hand. »Gehen wir in Ihr Büro. Es ist da etwas aufgetaucht, zu dem ich gerne Ihre Meinung wüsste.«
»Aha? Meine Meinung? Ich hätte vermutet, dass das LKA genug Spezialisten hat.« Er ging voraus und lotste Lackmann durch das Institut. Er trug Polohemd, Cargohosen und die klobigen Dreilochschuhe. »Hier ist es übrigens seit dem Tod von Herrn Pilz ruhig geblieben. Der Vermummte ist nicht mehr aufgetaucht.«
Lackmann setzte sich und wartete, bis auch Korff sich in seinen Sessel geworfen hatte. »Darum geht es auch gar nicht.«
»Nicht?« Der Mann, der nicht wie 40 aussah, musterte ihn neugierig. »Kaffee?« Er stand auf und trat an den kleinen Vollautomaten heran.
»Gerne.« Der Kommissar betrachtete Korff unentwegt. Sollte der Mann nervös sein, zeigte er es nicht mit einer einzigen Regung. Zum ersten Mal trug er kein Sakko. Somit wurde die Tätowierung auf seinem Unterarm sichtbar: DO NOT FALL ASLEEP UNTIL … Was immer das bedeuten sollte. Lackmann bekam eine Tasse Kaffee gereicht und wartete, dass sich der Bestatter wieder setzte.
Doch Korff blieb stehen und schaltete die Musikanlage ein.
Die helle, klare Stimme einer Sängerin ertönte zu einer Musik, die aus klassischem Stehbass, Synthie-Elementen und Beats bestand. Es klang ungewöhnlich, aber die Töne sorgten dafür, dass sich Lackmann weiter entspannte.
Korff lehnte mit dem Rücken an der Regalwand mit den vielen
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