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Totenblick: Thriller (German Edition)

Totenblick: Thriller (German Edition)

Titel: Totenblick: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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strich er dünne Nieselregentropfen von seinen kurzen schwarzen Haaren ab. Das Wetter meinte es nicht gut mit Leipzig, vom sogenannten goldenen Oktober fehlte jede Spur. Im Osten der Stadt wirkten die Wolken am Himmel auf ihn noch grauer, noch bedrückender. Dazu passte der Leichenfund.
    »Nee. Eher merkwürdig. Abgefahren«, suchte der Polizist nach dem richtigen Wort. »Sie werden gleich erkennen, was ich meine. Aber schlecht wird Ihnen nicht. Ihre Kollegin Schwedt ist schon drin.«
    »War klar.« Rhode betrat gespannt die Diele. Nicht freudig gespannt, wie bei einer schönen Überraschung, sondern neugierig, was ihn noch zum Staunen bringen konnte. Die linke Hand hielt er in seiner Jackentasche, die Finger umschlossen einen grünlich weißen worry stone, den er unentwegt rieb: etwa so groß wie ein altes 5-Mark-Stück, aus poliertem Connemara-Marmor. Sein persönliches Mittel gegen die innere Unruhe. Manchmal half es sogar.
    Abgefahren, das Wort hatte Rosenthaler benutzt.
    So ziemlich alle Tötungsmethoden waren Rhode in seiner Zeit beim Kommissariat zwei des ersten Dezernats bereits begegnet, vom vorgetäuschten Selbstmord mit Aufhängen über Erschießen, Erschlagen sogar bis zum kleinteiligen Zerstückeln, Schreddern oder Kochen. Aber bekanntermaßen kannte der Einfallsreichtum des Menschen selten Grenzen.
    Schon alleine den Ort empfand Rhode als ungewöhnlich.
    Das alte Haus lag in der Nähe des Stannebeinplatzes, eingekeilt von Wohnhäusern und an einer gut befahrenen Straße gelegen. Normalerweise wurden Mordopfer eher irgendwo in der einsamen Natur abgelegt oder in einem der Kanäle versenkt. Der Zufall holte die Leichen meist ans Licht.
    Dieser Fund hatte nichts mit Zufall zu tun. Im Gegenteil.
    Die ramponierten Bretter knarrten unter Rhodes Sohlen trotz seines geringen Gewichts. Männer wie ihn beschrieb man als schlank und sehnig, ohne dürr zu sein. Dürr und schlaksig, das war Lackmann. Ohne den Kollegen in seinem Kommissariat wäre er vermutlich als dürr und schlaksig tituliert worden.
    Ein Hoch auf Lackmann, auch wenn er sonst nicht viel taugt. Rhode kam an einem offenen Verschlag vorbei, der unter einer Treppe als Stauraum angelegt worden war. Ein Mitarbeiter der Spurensicherung, kurz SpuSi genannt, schoss Fotos. Im Vorbeigehen konnte Rhode keine Blutspuren erkennen.
    Das helle Licht zahlreicher Scheinwerfer erleuchtete den Weg.
    Rhode erreichte den Hauptraum, in dem es auffallend nach frischer Farbe und verputztem Mauerwerk roch.
    Zwei Meter vor ihm stand Anke Schwedt. Jung und motiviert, ganz ohne ADHS. Sie machte sich Notizen auf ihrem Smartphone, die langen kastanienbraunen Haare hatte sie zu einem Zopf gebunden, der sich durch ihre Schreibbewegungen leicht bewegte.
    Früher hätte man dazu einen Block genommen, dachte er.
    Mit ihren 25 war sie mehr als zwanzig Jahre jünger als er, aber sie legte eine Blitzkarriere hin, die allein auf ihren guten Leistungen basierte. So etwas akzeptierte Rhode. Sie war der Gegenentwurf zu Lackmann, dessen Nichtbeförderung auf Untätigkeit sowie einer spontan auftretenden Unzuverlässigkeit beruhte.
    Im Schein der Baustrahler arbeiteten noch zwei weitere SpuSis in ihren weißen Ganzkörperschutzanzügen; sie hatten Marker auf dem Boden verteilt, um Hinweisfundstellen zu kennzeichnen.
    Dabei arbeiteten sie sich um eine Leiche herum, die in einer antik wirkenden Badewanne lag und die Haare unter einer Art Turban trug. Sie war leicht nach rechts gedreht, der Kopf lehnte gegen den hinteren hohen Rand; kurze braune Locken hingen unter der Haube hervor. Das Wasser hatte sich vom Blut des jungen Mannes rot gefärbt, Spritzer hafteten auf den Leintüchern, mit denen der hintere Teil der Wanne abgedeckt war.
    Unterhalb des Schlüsselbeins glaubte Rhode eine Einstichwunde zu erkennen, aus der das Blut gelaufen war; neben der Wanne lag ein Messer. Die Tatwaffe?
    Die rechte Hand des Toten hing über den Rand und umfasste eine Feder. Die Wanne war teilweise mit einer Platte abgedeckt, auf welcher der rechte Arm halb ausgestreckt lag, die Finger hielten einen beschriebenen Brief. Zum Schutz war die Platte mit einer dunkelgrünen Tischdecke versehen worden. Unter dem ausgestreckten Arm auf der Abdeckplatte ruhten weitere Blätter, das Tintenfass befand sich ebenso auf dem Beistelltischchen wie zwei Ersatzkiele und zwei beschriebene Seiten.
    Alles kam Rhode unwirklich und übertrieben inszeniert vor, als wäre der Mord ein Blick auf ein Opfer aus einer anderen Zeit. Der

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