Totenblick: Thriller (German Edition)
dunkelblauen Dreiviertelhosen. Die geringe Länge spielte keine Rolle, sie hatte die Enden in die Stiefel gestopft. Yannick gefiel es, und ihr sowieso.
Aus einer Einfahrt trat unversehens eine vermummte Gestalt, die einen Baseballschläger mit dem stumpfen Ende drohend auf sie richtete. »Gib mir deinen …«
Weiter kam der Typ nicht.
Dolores versetzte dem Aluminiumprügel aus ihrer Vorwärtsbewegung einen Rundkick und drosch ihn aus der Hand des überraschten Räubers; hohl klackernd landete der Schläger einige Meter weiter auf der Straße.
Noch bevor der Angreifer handeln konnte, hatte sie den Fuß umgesetzt und ihn mit voller Wucht in die Körpermitte getreten; ihr Bein streckte sich dabei komplett, woraufhin er nach hinten geschleudert wurde und leicht nach vorne einknickte.
Sofort setzte Dolores nach, spielte dabei ihre Routine aus: Der Vermummte bekam drei sturmschnelle gerade Faustschläge auf die Nase und einen Parallelhieb zum Abschluss gegen die Ohren, woraufhin er schreiend auf den Boden fiel und sich den Kopf hielt.
»Mach noch eine Bewegung, und ich brech dir was!« Vorerst ließ es die junge Frau mit ihren Angriffen bewenden und zückte ihr Handy.
Ihr Herz pochte zwar schneller, aber Angst verspürte sie nicht. Das Training hatte sie genau auf solche Situationen vorbereitet.
Sie wählte die Nummer ihres alten Herrn. »Hallo, Papa. Hier ist Do«, meldete sie sich und behielt den Stöhnenden im Auge. »Tut mir leid, aber … ich habe einen Räuber ausgeknockt – was mache ich denn jetzt? Polizei oder …? Wo ich bin? Nahe der KarLi, in der Körnerstraße. Ja, er hatte einen Base… Gut, dann die Polizei. Nein, du brauchst nicht zu kommen. Ich habe schon genug an ihm kaputtgemacht, glaub mir. Du würdest ihn umbringen.« Sie grinste. »Gute Nacht, Papa.« Dolores legte auf und nutzte den Notruf. »Hallo, hier ist Dolores Engel. Ich stehe in der Körnerstraße, kurz vor dem Körnerplatz, und habe soeben einen Räuber ausgeschaltet«, meldete sie ruhig. »Könnten Sie einen Streifenwagen schicken? Und eine Ambulanz? Ja, ich warte hier.« Bei der nächsten Frage musste sie lachen. »Nein, ich bin nicht verletzt. Bis gleich!«
Dolores sah auf die Uhr, dann wählte sie Yannicks Nummer und sagte ihr Date ab. Der Grund, weswegen sie ihn versetzte, würde ihn beeindrucken.
Zwanzig Meter entfernt von der Frau mit den langen, brünetten Haaren schwenkte er hinkend nach rechts, öffnete enttäuscht die Seitentür seines Transporters und stieg ein.
Der Abend wurde vom ersten Misserfolg gekrönt, den der Räuber und damit auch er einfuhr. Für ihn war es jedoch komfortablerweise nur seelisch schmerzhaft.
Langsam zog er die Tür zu, um kein lautes Geräusch zu verursachen, und wartete, während er das digitale Nachtfernglas nahm und durch die getönte Scheibe nach vorne blickte.
Die junge Frau stand zwei Schritte von dem sich krümmenden Räuber entfernt und telefonierte. Ihrer Körperhaltung und dem Lächeln nach war ihr Gesprächspartner ein Mann, mit dem sie flirtete.
Der Überwältigte hieß Robin Adler. Seit Wochen verfolgte er den Gelegenheitskriminellen bei seinen Beutezügen.
Zuerst hatte Adler auf der Liste der potenziellen Protagonisten für die Todesbilder gestanden, bis er durch Zufall mitbekam, wie sich der Mann ein paar Euro zusätzlich verdiente. Straßenraub.
Das hatte ihn neugierig gemacht, er verstand es als Zeichen: Adler wurde ungewollt und unbewusst zu seinem Gesichtsscout. Ein dummer Zufallsspürhund auf der Jagd nach Trüffeln, der nicht wusste, dass er an einer unsichtbaren Leine hing.
Mehr als einmal suchte Adler ihm die falschen Gestalten und Gesichter aus, aber schließlich hatte er Trüffeln gefunden: zuerst Armin Wolke und dann Aileen McDuncan. Sie waren perfekt gewesen!
An diesem Tag verließ den Scout das Glück.
Die Schlagkraft der jungen Frau hatte sowohl Adler als auch ihn überrascht. Dabei wäre sie für sein nächstes Bild sehr gut geeignet gewesen. In der rechten Jackentasche bewahrte er den Elektroschocker auf, mit dem er seine bisherigen Opfer ruhiggestellt hatte.
Heute würde er ihn nicht brauchen.
Ein blau-silberner Streifenwagen näherte sich zügig mit Blaulicht und hielt neben der jungen Frau an, zwei Beamte stiegen aus und grüßten, indem sie an ihre Schirmmützen tippten.
Es entspann sich ein tonloser Dialog zwischen ihnen, wie er durch die Okulare sah. Die Polizisten lachten mehrmals, und sie grinste sehr zufrieden. Adler wurde von den
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