Totenblick: Thriller (German Edition)
mäßig trainierten, etwas älteren Polizisten abhängen können, aber sein Auto stand dummerweise noch warnblinkend zusammen mit seiner minderjährigen Tochter auf der Straße. Somit wussten sie, wer er war. Karo bräuchte nicht mal was zu sagen, das Nummernschild genügte.
Der Mann mit dem Aufnäher schien vom Erdboden verschluckt.
»Das gibt es doch nicht!« Ares drehte sich nach rechts und links, entdeckte niemanden. Hatte er sich alles eingebildet?
»Das können Sie mal laut sagen, Bürger!« Der Beamte hatte ihn eingeholt. »Ihre Papiere.«
»Sind im Auto.«
»Name?«
»Smart. Das genaue Modell vergesse ich immer.«
Der Polizist schenkte ihm einen missbilligenden Blick.
»Löwenstein, Ares Leon.« Er fügte seine Adresse hinzu. »Wir können das abkürzen, indem Sie Kriminalhauptkommissar Rhode anrufen. Ich bin ein Freund von ihm …«
»… und er wird mir erklären, warum Sie Ihren Wagen mitten auf der Straße neben dem Polizeirevier Südwest stehen lassen und mit bußgeldbelegten Gesten um sich werfen?«, ergänzte der Beamte zuckersüß wie Charlottes Teilchen.
»Ich denke, dass Ihr Hupen auch nicht erlaubt war«, erwiderte Ares. Er hatte nicht aufgegeben, sich umzusehen. »Kann auch Missbrauch gewesen sein. Jedenfalls diente es nicht der Gefahrenabwehr.« Er fand seine Antwort schlagfertig, aber strategisch war sie Unsinn. Damit hatte er den Bullen noch mehr verärgert.
Der Polizist sah auf seinen Block, nahm das Funkgerät und rief die Zentrale zwecks Personalienabfrage. »Sollten Sie schon wieder weglaufen, wird es teuer für Sie, Herr Löwenstein.« Er gab die Adresse durch, und man bestätigte ihm, die Angaben zu checken. »Damit Sie es wissen: Wir haben den Smart wegtragen lassen.«
»Sie meinen abschleppen.«
»Nein, wegtragen. Ein paar kräftige Männer haben Ihren Wagen an den Straßenrand gehoben.« Mit einem freudlosen Lächeln fügte er hinzu. »Ihre Tochter haben wir vorher aussteigen lassen. Aber das bringt Sie nicht um eine Anzeige herum. Beleidigung und Nötigung.« Die Zentrale bestätigte die Korrektheit, der Polizist grüßte. »Dann einen schönen Abend, Herr Löwenstein. Das nächste Mal lieber gleich richtig einparken und nicht wieder den Stinkefinger zeigen.«
Ares ging ohne eine Erwiderung, überquerte die Fahrbahn und setzte sich an einen Tisch, der zum Café Südbrause gehörte. Er dachte nach, über den eingebildeten Mann, und beschloss: Er musste die Erinnerung an früher verbannen. Mit Antonowas Hilfe. Sofort!
Dann rief er Karo an. Da sie in der Nähe eines Polizeireviers stand, machte er sich keine Gedanken um ihre Sicherheit. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Ja«, gab sie wütend zurück. »Wo bleibst du denn?«
»Ich werde noch was zu tun haben.«
»Hat der Bulle dich als Strafe an ein Halteverbotsschild gekettet? Mama hat schon angerufen und gefragt, wo ich bleibe.«
»Fahr mit der Tram, Liebes.«
Karo fauchte wütend und klang wieder wie ihre Mutter. »Ist das ernst gemeint?«
»Tut mir leid, aber ich muss zu dieser Frau. Zu der mit der Rückführung.« Ares sah sich um. »Das verstehst du doch?«
»Scheiße, Papa. Ich brauche eine halbe Stunde mit der Tram …«
»Tut mir leid. Aber du hast ja was zu essen für unterwegs von Tante Charlotte bekommen.« Karo legte einfach auf, womit Ares den Fall als erledigt betrachtete.
Er stand auf und lief zu der Adresse, die ganz in der Nähe lag. Dabei führte er ein Entschuldigungstelefonat mit Tzschaschel. Kurz darauf erreichte er das mehrstöckige Gebäude mit der einfachen, schmucklosen Fassade.
Ares legte den Finger locker auf den Knopf hinter dem Klingelschild mit der Aufschrift J. Antonowa. Das Haus in der Kochstraße war renoviert und machte etwas her. Auch das gab es in Leipzig, und zwar öfter als den Verfall.
Dann lehnte er sich nach vorne, drückte den abgewetzten Messingknopf tief ein.
Sekunden darauf knackte der Lautsprecher. »Ja?«
»Päckchen für Frau Antonowa«, sagte er, und ihm wurde via Summer geöffnet.
Ares nahm den Fahrstuhl, er war genug gerannt. Als sich der Lift mit einem Schleifen öffnete, sah er in das erstaunte Gesicht der falschen Flatow in der Tür vis-à-vis. Sie trug fast die gleichen Sachen wie bei der Rückführungssitzung, und spätestens der Geruch ihres wortwörtlich atemberaubenden Parfüms hätte seine letzten Zweifel erstickt.
»Cherr Löwenstein!«, rief sie überrascht. »Das ist eine chöne Überraschung. Ich dachte, Sie sind Fitnesstrainer und nicht
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