Totenblick: Thriller (German Edition)
Paketzuchdeller.«
Er verließ die Kabine. »Ich nehme an, Sie haben Zeit für mich?«, sagte er freundlich-fordernd. »Es geht um das, was ich seit Ihrer Rückführung in meinen Träumen erlebe.«
»Oh.« Sie sah betroffen aus. »Fuhlen Sie sich bäsonders?«
Er nickte und drängte sie rückwärts in ihre Wohnung.
Es roch nach Kaffee, nach altem Stoff und Weihrauch; eine Ikone hing genau gegenüber dem Eingang, als würde der Heilige darauf mit seinem Blick und dem glänzenden Blattgold alles Übel zurückschlagen können.
Abgesehen vom Bad gab es lediglich zwei Zimmer.
Überall herrschte Chaos, und die Küche sah nach Schlachtfeld aus. Darin hockte ein Mann in Unterhemd und Unterhose am offenen Fenster und rauchte, als wäre er dort vergessen worden. Der Geruch des brennenden Tabaks wurde vom Weihraucharoma vollständig kannibalisiert. Er sah Ares nicht einmal an, sondern hielt den Blick auf eine russische Zeitung gerichtet. Für ihn schien es normal zu sein, dass ein zwei Meter großer, glatzköpfiger Mann durch sein Haus marschierte.
Im Wohnzimmer, das mit Schränken und Regalen vollgerümpelt war, setzte sich Antonowa auf einen alten Stuhl. Sie bot Ares den Sessel an und richtete ihre leichte blassrote Strickjacke.
Einmachgläser mit Sand, Muscheln, eingelegten Wurzeln und unerkennbaren Dingen standen – sorgfältig auf Kyrillisch bezeichnet – in den Fächern; dazwischen schoben sich die Buchrücken alter Werke. Die Beschriftungen reichten von Griechisch über Latein bis zu einem Sammelsurium moderner Sprachen.
So ziemlich alles war mit Stickereien verziert oder mit bestickten Deckchen behangen. Noch mehr Ikonen prangten an den Wänden, aus manchen Bildern leuchteten jedoch Symbole, die Ares nichts sagten. Er musste an die Wohnung der Hexe aus dem Film Wächter der Nacht denken.
»Was ist gäschehen, Cherr Löwenstein?« Antonowa sah ihn an und nahm das Pendel aus der Schublade. Weder erklärte sie sich noch den Tausch mit Flatow. Sobald sie sich bewegte, rieben die Bernsteine ihrer Kette aneinander.
»Zuerst möchte ich wissen, warum Sie sich als eine andere ausgaben.«
»Oh. Nun, weil mich meine Freundin darum gebeten chatte«, erklärte sie und schien von ihm nicht beeindruckt zu sein und auch kein schlechtes Gewissen wegen der Scharade zu haben. »Sie hatte keine Zeit. Wegen des Umzugs, müssen Sie wissen. Aber weil sie der Kundin den Termin versprochen chatte, wollte sie ihn nicht absagen. Bin ich ebenso gute Rückfuhrerin wie sie, Cherr Löwenstein.«
Das wagte er zu bezweifeln. »Die Nummer, die Sie mir gaben, war falsch.«
»Njet!«
»Doch.« Er hielt ihr den Zettel hin. »Die Kombination nannten Sie mir.«
»Oi!« Antonowa errötete, schlug sich eine beringte Hand gegen die Brust. »Das tut mir leid, Cherr Löwenstein! Sie chaben recht! Ist die falsche Nummer! Oi, Sie armer Mann! Chaben telefoniert und telefoniert …«
Ares glaubte ihr die Betroffenheit. »Das habe ich.«
Antonowa sah ihm in die Augen. »Erzählen Sie, bitte. Was ist passiert nach Rückfuhrung?«
Ares erzählte nichts Genaues, deutete jedoch an, von Träumen heimgesucht zu werden. »Sorgen Sie dafür, dass mein Unterbewusstsein aufhört, mir diese Streiche zu spielen. Ich will nicht mehr weiter träumen.«
»Träumten Sie von einem anderen Leben?«
Ares fuhr sich über die Glatze. »Nein«, gestand er. »Es … hat mit dem zu tun, was ich früher … erlebte. In der Gegenwart.«
»Geggenwart, soso. Also nicht aus dem Mittelalter oder anderen Jahrchunderten?«
»Nein.«
»Dann bin ich machtlos.« Antonowa betrachtete ihn eingehend. »Das chat mit Rückfuhrung nichts zu schaffen.«
Ares sah auf das Amulett. »Aber es begann, nachdem ich bei Ihnen war.«
»Und doch hat es nichts mit meinem Pendel zu tun. Zufall. Das Verdrängte kehrte zu Ihnen zurück. Da kann Ihnen chöchstens ein Psychologe helfen.« Antonowa rief wieder in die Küche. »Möchten Sie einen Chai?«
Er fasste es nicht. Er hatte sich umsonst Hoffnungen und Mühe gemacht. Was sollte er gegen die Träume unternehmen? »Sie können nichts für mich tun?«
»Außer Chai: njet.« Antonowa blickte ihn mitfühlend an. »Denken Sie darüber nach. Ergründen Sie, was Ihnen zu schaffen macht.«
Ares stand auf, kämpfte sekundenlang gegen den absackenden Kreislauf. Es gab kein einfaches Entkommen vor dem Messermann, und genau das hatte er befürchtet. Wie es die ältere Frau gesagt hatte: Das Verdrängte kehrte zurück. »Nein, keinen Chai. Ich
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