Totenblüte
Clive, und Vera dachte sich, dass Diane fast dasselbe gesagt hatte. «Es wäre nicht weiter schwierig gewesen, sich in das Ganze reinziehen zu lassen. Sie wissen schon, die Sachen, die sie so treiben. Aber dann kam das Vögelbeobachten, das hat mich gerettet.»
«Und Ihnen eine andere Familie beschert.»
«Ja», bestätigte er und freute sich offensichtlich, dass sie ihn verstand.
«Können Sie mir sagen, was hinter diesen Morden steckt? Die Blumen, das Wasser?» Wenn überhaupt jemand, dachte Vera, dann würde er das vielleicht wissen. Er schien ihr in der Lage zu sein, Muster hinter den Dingen zu erkennen. Sie war mit der Frage schon herausgeplatzt, ehe sie sich noch darüber klargeworden war, ob das eigentlich vernünftig war.
Clive saß einen Augenblick lang schweigend da und blinzelte heftig hinter seinen dicken Brillengläsern.
«Nein», sagte er dann. «Natürlich nicht.»
KAPITEL EINUNDDREISSIG
Felicity war davon ausgegangen, dass Vera Stanhope Lily Marshs Ring persönlich abholen würde, und war etwas verwirrt, als stattdessen ein junger Mann vor ihrer Tür stand. Er stellte sich ihr als Joe Ashworth vor, und als sie immer noch nicht recht überzeugt wirkte, zeigte er ihr seinen Polizeiausweis und erklärte: «Inspector Stanhope ist meine Chefin.» Er hätte genauso gut Juniorpartner in irgendeiner Firma sein können. Er wirkte zuvorkommend und gewinnend und war Felicity sofort sympathisch. Ihr wurde klar, dass es dumm von ihr gewesen war anzunehmen, jemand mit dem Dienstgrad eines Inspectors würde wegen einer solchen Lappalie persönlich vorbeikommen.
Kurz nach Joe Ashworths Ankunft kam James vom Schulbus nach Hause. Sie standen noch in der Tür, und er drängelte sich an ihnen vorbei und rannte mit heraushängendem Hemd und halb aufgeschnürten Turnschuhen auf direktem Weg in die Küche, mit einem Bärenhunger, wie immer, wenn er aus der Schule kam. Auch als sie ihm folgten, nahm er keine Notiz von dem fremden Besuch, sondern futterte einfach weiter Kekse direkt aus der Dose und plapperte mit vollem Mund über den bevorstehenden Sporttag. Felicity hätte sich gewünscht, dass er höflicher wäre, einen besseren Eindruck machte. Doch Ashworth kannte sich offenbar aus mit Kindern und lächelte sie über den Kopf des Jungen hinweg an. Dann setzte er sich und plauderte mit ihr, als hätte er alle Zeit der Welt.
«Ihr Mann sagt, Sie sind die Gärtnerin in der Familie.»
«Ja, das bin ich wohl. Er hat einfach immer so viel zu tun. Und obwohl er als Botaniker arbeitet, gilt seine Leidenschaft doch eigentlich den Vögeln. Er treibt sich viel lieber draußen an der Küste herum.»
«Wir wohnen ja in einem Neubaugebiet», erzählte Ashworth. «Unser Garten ist eigentlich nicht der Rede wert. Aber meine Frau schafft es, ihn ganz hübsch zu gestalten. Sie schaut sich immer diese Sendungen im Fernsehen an, in denen man Tipps für Haus und Garten bekommt.»
Während er so von seiner Frau und seiner Tochter und dem Baby redete, das unterwegs war, dachte Felicity, was für ein netter junger Mann er doch war. Warum hatte Joanna nicht jemanden wie ihn heiraten können statt Oliver, der beim Fernsehen arbeitete und meist kaum zu merken schien, dass er überhaupt ein Kind hatte?
«Seit einiger Zeit macht meine Frau auch selber Grußkarten», berichtete Ashworth gerade. «Offenbar gab es da einen Vortrag übers Blumentrocknen im Women’s Institute. Sarah hat daraufhin angefangen, bestimmte Blumen zu pflanzen, deren Blüten sie anschließend pressen kann. Sie verkauft die Karten im Dorf. Wenn jemand eine zu einem besonderen Anlass braucht, erfüllt sie auch Sonderwünsche. Sehr profitabel ist das alles nicht, aber sie schafft es immerhin, die Kosten zu decken, und es macht ihr großen Spaß.»
«Ach Gott! Ich wünschte, wir würden es hier einmal schaffen, ein paar jüngere Frauen ins Women’s Institute zu locken. Der Altersdurchschnitt liegt bei ungefähr fünfundsiebzig, ich bin mit Abstand die Jüngste dort.»
«Vielleicht hatten Sie ja dieselbe Dozentin hier?»
«Ich glaube nicht. Aber ehrlich gesagt sind diese kunsthandwerklichen Vorträge für mich auch irgendwie alle gleich. Ich kann mich einfach nicht dafür begeistern. Zwei linke Hände. Meine Freizeit verbringe ich am liebsten im Garten. Wenn Sie wollen, führe ich Sie ein wenig herum.»
James lief nach draußen, um mit den Zwillingsmädchenvom Bauernhof zu spielen, doch Felicity und Ashworth blieben noch in der Küche sitzen und unterhielten sich
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