Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
Vom Netzwerk:
und den ganzen Weg bis nach Acklington fahren, weil er Zigaretten brauchte. Zumindest nicht, solange sie nicht wusste, was mit Laura passiert war. «Heute geht das auf keinen Fall. Kann ich jemand anders vorbeischicken?»
    «Nein», sagte er ausdruckslos. «Entweder Sie oder keiner.» Einen Moment lang war es still, und Vera glaubte schon, die Verbindung wäre unterbrochen, als er doch noch weitersprach. «Es ist ein bisschen kompliziert. Und ziemlich merkwürdig. Ich verstehe es selbst nicht ganz. Aber es eilt nicht. Morgen reicht auch noch.»
    «Ein Mädchen wird vermisst, Davy», sagte Vera. «Alles, was Sie wissen, brauche ich jetzt sofort.» Doch diesmal war die Verbindung tatsächlich abgebrochen, und sie wusste nicht, ob er sie noch gehört hatte. Sie legte auf und ärgerte sich über sich selbst. Sie hätte das ganz anders angehen müssen.
    Sie überlegte, ob sie nicht doch ins Gefängnis fahren sollte. Es wäre immerhin eine Abwechslung: die Fahrt nach Acklington, das Geplänkel mit dem Wärter am Eingang. Eine Flucht vor der Warterei. Doch Davy Sharp hatte tatsächlich nicht geklungen, als ob es dringend wäre. Und Vera konnte diesen Ausflug beim besten Willen nicht rechtfertigen.
    Ihr Blick fiel auf Parrs Kurzgeschichtensammlung, die noch auf dem Schreibtisch lag. Plötzlich sah sie Samuel vor sich, wie er an dem Abend, als sie Lilys Leiche gefunden hatten, mit den anderen im Garten von Fox Mill saß. Vier Männer und eine Frau gemeinsam auf der Terrasse. Zumersten Mal kam Vera der Gedanke, dass vielleicht alle diese Männer ein wenig in Felicity Calvert verliebt waren. Nicht die Vogelbegeisterung hielt sie zusammen, sondern diese Frau. Die Bilderbuchhausfrau mit den geblümten Röcken und dem perfekten Kuchen. Die Männer waren alle einsam, frustriert und verkorkst. Wie ich, dachte Vera. Genau wie ich. Dann fiel ihr die Geschichte wieder ein, die sie am Morgen gelesen hatte: die Entführung eines jungen Menschen, mitten im Sommer, die liebevolle Schilderung der Tat.
    Vera riss ihre Bürotür auf und brüllte nach Ashworth. Er kam sofort angerannt, und sie merkte, wie alle anderen im Raum von ihren Schreibtischen zu ihr herübersahen. Wahrscheinlich glaubten sie, es hätte sich etwas Neues ergeben. Dass die Leiche gefunden worden sei. Vielleicht wären sie dann sogar erleichtert gewesen, weil sie den Ausgang der Geschichte gekannt hätten.
    «Es gibt nichts Neues», sagte Vera in den Raum hinein. «Sobald es etwas gibt, erfahren Sie es sofort.»
    Ashworth machte die Bürotür hinter sich zu und lehnte sich dagegen. Vera dachte, dass er müde aussah, dann fiel ihr seine Frau wieder ein und das Baby, das inzwischen jeden Tag kommen konnte. Die letzten Wochen einer Schwangerschaft konnten ziemlich anstrengend werden, vor allem, wenn es so heiß war. Das hatte sie zumindest gehört. Wahrscheinlich bekam im Augenblick keiner der beiden sonderlich viel Schlaf.
    «Lesen Sie das.» Vera deutete mit dem Kopf auf das Buch, das auf dem Schreibtisch lag. «Das ist eine Geschichte von Parr. Ist nicht ganz so wie die Entführung des Mädchens, aber ziemlich nah dran.»
    Joe sah sie an, als hätte sie jetzt völlig den Verstand verloren, griff aber trotzdem nach dem Buch und fing an zu lesen.
    «Ich habe gestern Abend damit angefangen», fuhr Vera fort, «und seither kriege ich das nicht mehr aus dem Kopf.»
    Joe sah wieder von dem Buch auf. «Sie glauben, das ist so eine Art Phantasie? Parr hat darüber geschrieben, und jetzt setzt er seine Geschichte in die Tat um?»
    «Idiotisch, nicht? Am besten vergessen Sie das gleich wieder.» Eigentlich konnte sie es ja auch selbst nicht glauben. Das war doch viel zu theatralisch, um wahr zu sein.
    «Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass er die Familie Armstrong kannte», sagte Joe nachdenklich. «Und vor allem hat er kein Motiv.»
    «Ich sage ja», wiederholte Vera. «Es ist eine völlig idiotische Idee.»
    «Aber das hier ist schon ziemlich krauses Zeug. Und es erinnert tatsächlich an die Entführung und die Morde, wie Sie sagen. Nicht bis ins letzte Detail, aber   …» Er schwieg einen Augenblick. «…   es ist irgendwas an der Atmosphäre. Wie geht die Geschichte denn aus?»
    Vera war froh, dass er sie zumindest ernst nahm. Ihr kurzfristiger Ärger darüber, dass er sich nicht richtig auf die Ermittlungen konzentrierte, war verflogen. «Keine Ahnung. So weit bin ich noch nicht gekommen. Und im Moment habe ich einfach zu viel zu tun, um weiterzulesen.»
    Sein Blick

Weitere Kostenlose Bücher