Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
Vom Netzwerk:
noch nicht.» Er schwieg einen Moment. «Aber letzte Nacht war sie hier.»
    «Ja, das hat sie mir erzählt.» Vera setzte sich. «Dann wissen Sie das mit ihrer Tochter also noch gar nicht?»
    «Laura? Was ist denn passiert?» Er hatte sich gerade den letzten Bissen seines Sandwichs in den Mund geschoben, und sie wartete mit ihrer Antwort, bis er fertig gekaut hatte.
    «Kennen Sie sie näher?»
    «Ich habe sie nur einmal gesehen, als ich in Seaton vorbeigeschaut habe.»
    «Was halten Sie von ihr?»
    «Nichts. Ich meine, keine Ahnung. Wir haben kaum miteinander geredet.»
    «Sie ist ein attraktives junges Mädchen.» Vera deutete mit dem Kopf auf das Foto von Emily. «Und offenbar mögen Sie es ja eher mager.»
    «Mein Gott, ich bitte Sie! Sie ist doch erst vierzehn!» DochVera glaubte, nicht nur Entrüstung in diesem Ton zu hören. Ein Schuldgefühl? Anscheinend war ihm das Mädchen doch nicht ganz gleichgültig. «Sie hat mir leidgetan. Schließlich war sie ja im Haus, als ihr Bruder ermordet wurde. Erst vor ein paar Tagen habe ich noch zu Clive gesagt   …»
    Vera fiel ihm ins Wort. «Sie ist verschwunden. Sie haben doch sicher nichts dagegen, wenn ich mich kurz mal hier umschaue.»
    «Wieso sollte sie denn hier sein? Sie weiß doch gar nicht, wo ich wohne!»
    «Lassen Sie mir doch die Freude, Herzchen.»
    Vera stemmte sich vom Sofa hoch, obwohl sie ganz genau wusste, dass sie Laura hier nicht finden würde. Falls Gary sie tatsächlich entführt hatte, war er sicher nicht so dumm, sie hierher in seine Wohnung zu bringen, und Vera konnte sich das ohnehin nicht recht vorstellen. Aber wo sie nun schon mal da war, konnte sie auch tun, was sie sich vorgenommen hatte. Sie öffnete die Tür zum Schlafzimmer. Das Bett war ordentlich gemacht, das Zimmer aufgeräumt.
    «Wann ist sie denn verschwunden?», fragte Gary hinter ihr.
    «So gegen halb neun. Auf dem Weg zum Schulbus.»
    «Da war ich hier, zusammen mit Julie.»
    «Die, nach ihrer eigenen Aussage, ihren Rausch ausgeschlafen hat, weil sie zu viel Wein getrunken hatte. Den hatte sie ja wohl von Ihnen.» Vera öffnete energisch die Badezimmertür. Auf der Fensterbank standen diverse Duschgels und Aftershaves. Mehr Duftwässerchen, als sie in ihrem ganzen Leben besessen hatte. Und keine Spur von Laura.
    «Sie wollte sich unbedingt betrinken. Ich hätte sie nur schwer davon abhalten können, selbst wenn ich das gewollthätte. Aber wozu hätte ich das tun sollen? Sie wollte zumindest mal einen Abend lang nicht an Luke denken.»
    Vera warf einen Blick in die Küche und schaute durch die Glastür hinaus auf den Balkon. Nichts. «Das weiß ich doch, Herzchen. Ich mache Ihnen ja gar keinen Vorwurf.» Sie blieb stocksteif mitten im Zimmer stehen. «Aber Sie können sich doch wohl vorstellen, wie ihr gerade zumute ist. Sind Sie ganz sicher, dass Sie mir nichts erzählen können? Über Luke oder Lily Marsh vielleicht? Oder sonst etwas über diesen ganzen Schlamassel? Haben Sie vielleicht irgendwas von Clive, Peter oder Samuel gehört?»
    Gary zögerte eine Sekunde lang. War er etwa in Versuchung, ihr von Peter Calverts Affäre mit Lily zu erzählen? Hatte er davon gewusst? Am Ende siegte doch die männliche Solidarität, und er schüttelte den Kopf.
    «Tut mir leid, Inspector. Das war alles nur ein schrecklicher Zufall. Ich kann Ihnen wirklich nicht weiterhelfen.»
    Da reichte es Vera mit ihm, und sie ging grußlos aus der Wohnung. Schon an der Treppe hörte sie von drinnen wieder die Musik.
    Im Wagen wählte sie ihre eigene Büronummer, nachdem sie einen Augenblick gebraucht hatte, um sie sich in Erinnerung zu rufen. Joe Ashworth meldete sich sofort. «Apparat Inspector Stanhope.»
    «Und?»
    «Nichts Neues von dem Mädchen. Da hätte ich Sie doch gleich angerufen.»
    «Und was ist mit der Geschichte?»
    «Ich bin erst auf der Hälfte, ich wollte ja vorne anfangen. Aber faszinierend ist das schon, nicht? So viele Ähnlichkeiten.»
    «Und ich dachte schon, ich spinne», sagte Vera. «Das passiert ja manchmal, wenn man besessen von etwas ist.Ich werde jetzt mal sehen, ob ich Parr finden kann.» Sie beendete das Gespräch, ohne seine Antwort abzuwarten. Dann warf sie das Handy auf den Beifahrersitz. Sie würde es wohl nie schaffen, sich ein Headset zuzulegen.
    Als sie in Morpeth ankam, war es bereits früher Abend. In der ruhigen Straße, wo Samuel Parr wohnte, war seine nicht mehr ganz junge Nachbarin damit beschäftigt, die welken Blüten aus dem Rosenbeet in ihrem Vorgarten zu

Weitere Kostenlose Bücher