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Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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Füße beim Gehen belastete und wo genau sie entlanggegangen war. Über den Mann, der sie entführt hatte, sagte der Schuh nichts aus. Doch dann fanden sich ganz in der Nähe der Stelle, wo er gelegen hatte, Reifenspuren am Hang. Das Gras war dort sehr trocken, die Reifen hatten es nur niedergedrückt und keinen echten Abdruck hinterlassen. Doch dort, wo die Grasfläche dem Asphaltbelag der Straße wich, hatte sich ein Rest von rötlichem Bausand angesammelt. Vielleicht war er dort von Straßenbauarbeiten liegen geblieben oder auch von einem Lastwagen geweht worden; in jedem Fall aber ließ sich in dem Sand eine deutlich ausgeformte Reifenspur erkennen. Es war nur ein Teilabdruck, halb so breit wie der eigentliche Reifen und etwa zehn Zentimeter lang,doch Billy Wainwright, dem Chef der Spurensicherung, genügte das vollauf. Er hockte so konzentriert davor wie ein Kleinkind im Sandkasten, das den perfekten Sandkuchen backen will.
    «Und?» Vera wusste, dass sie hier eigentlich nichts mehr verloren hatte. Sie hätte auf dem Revier sein, die eingehenden Informationen sammeln sollen – Herrin der Lage sein. Aber sie war nun mal nicht Herrin der Lage.
    «Ich kann nicht garantieren, dass wir damit den Reifentyp bestimmen können.» Billy richtete sich wieder auf, und Vera fand, dass er ziemlich müde und mitgenommen aussah. Er war einfach zu alt für eine junge Geliebte. Und zu anständig, um das alles auf die leichte Schulter zu nehmen. Wieder einmal wollte sie ihn ermahnen, doch mit dem zufrieden zu sein, was er hatte. Er hatte eine Frau, mit der er am Abend reden konnte. Das konnte er doch nicht einfach so einem Trugbild der Midlife-Crisis opfern, so jung und hübsch dieses Bild auch immer sein mochte. «Aber wenn Sie ein verdächtiges Fahrzeug für mich haben, kann ich Ihnen sagen, ob der Abdruck dazu passt. Sehen Sie mal. Man sieht ganz deutlich die Abnutzungsspuren, die Kratzer und Kerben im Gummi.»
    «Dann suchen wir also nicht nach einem neuwertigen Reifen?»
    «Nein», sagte Billy. «Das Profil ist ausgesprochen schwach. Der kommt nicht mal durch den MO T-Test .»
    Es war der perfekte mittsommerliche Spätnachmittag. Noch am Morgen hatten alle ein Gewitter befürchtet, doch seither hatte die Schwüle nachgelassen. Vera blieb einen Moment lang stehen, beobachtete die Mitglieder des Suchtrupps, die weiter vor dem Horizont entlangkrochen, und die Schwalben, die tief über dem Stoppelfeld dahinschossen und Insekten jagten.
    «Melden Sie sich, falls Sie den Reifen doch noch identifiziert kriegen?»
    Billy nickte knapp, und als sie ihn ansah, hatte sie das Gefühl, als wüsste er bereits, was für ein Wahnsinn es gewesen war, sich mit der hübschen Pathologielaborantin einzulassen. Er verabscheute sich selbst dafür, konnte es aber trotzdem nicht lassen. Er wollte sich einfach nicht eingestehen, dass er sich damit zum Narren machte, dass er viel zu alt für so etwas war und die junge Frau ihn vermutlich ohnehin nur ausnutzte. Deshalb hatte er sich eingeredet, sie zu lieben.
    In der Einsatzzentrale in Kimmerston war es ungewöhnlich still. Eine angespannte, erwartungsvolle Stille, in der jedes klingelnde Telefon, jede unvermittelt laute Stimme die Polizisten hochschrecken ließ. Vera hatte es sich gerade am Schreibtisch bequem gemacht, als ihr Telefon tatsächlich klingelte. Es war kein internes Gespräch. Der Anruf kam von außen. Sie meldete sich mit Namen, und es blieb kurz still am anderen Ende. Im Hintergrund hörte sie Geräusche, die in einem geschlossenen Raum widerhallten: ein Metalltor, das zugeknallt und abgeschlossen wurde, Männerstimmen, die etwas riefen. Und dann eine leisere Stimme: «Hier spricht David Sharp.» Davy Sharp, der aus der Haftanstalt Acklington anrief. Dort musste es jetzt wohl bald Abendessen geben. Vera sah ihn vor sich, im Gefängnistrakt. Er musste sich in die Schlange vor dem Telefon eingereiht haben, und hinter ihm warteten sicher noch andere Männer. Die vermutlich alle zuhörten.
    «Hallo, Davy. Was kann ich denn für Sie tun?» Sie bemühte sich um einen unbeschwerten Ton, sprach aber so leise, dass nur er sie hören würde.
    «Eigentlich ist es eher umgekehrt», gab er zur Antwort. «Sie sollten mich fragen, was ich für Sie tun kann.»
    «Was haben Sie für mich, Davy?»
    «Nichts fürs Telefon. Da müssten Sie schon herkommen. Aber vielleicht ist es ja auch nichts weiter.»
    «Sind Ihnen die Kippen ausgegangen, Davy?» Auf keinen Fall würde sie die Ermittlungen sausenlassen

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