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Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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Fersen sind, wird er sie sofort töten. Was hat er schon zu verlieren?» Doch im Grunde sorgte Vera sich vor allem um ihren Stolz und weniger um das Mädchen. Stolz war Veras größte Schwäche. Falls sie sich doch irrte, wollte sie nicht, dass alle das mitbekämen. Für sie gingen die Morde nicht auf Samuel Parrs Konto. Sie hatte jemand ganz anderen im Sinn. Außerdem konnte Laura schon längst tot sein. Vera malte sich aus, was es für ein Gerede geben würde, wenn sie die Sache vor aller Augen vermasselte.
Die Chefin hatte den Hinweis aus einem Buch. Die glaubt tatsächlich noch an Märchen. Langsam dreht sie völlig durch.
Dann konnte sie sich ja wohl schlecht damit herausreden, dass es ursprünglich Joe Ashworths Idee gewesen war. Sie war keineswegs so überzeugt von seiner Theorie, dass sie die Leute von ihrenPosten abziehen würde: dem See in Seaton, dem Tyne-Ufer in North Shields, Fox Mill. Die mussten weiterhin unter Beobachtung bleiben.
    «Einstweilen belassen wir es dabei, dass wir beide einer abwegigen Spur nachgehen», sagte sie zu Ashworth.
    Sie spürte, wie sicher er war, das Mädchen in Deepden zu finden; er war dem Zauber der Geschichte verfallen, den Blumen und dem Wasser.
    Vera nahm eine großformatige Generalstabskarte aus dem Büroregal und faltete sie auf dem Schreibtisch aus. «Wir werden genau hier parken.» Sie tippte mit einem breiten Finger auf die Karte. «Falls er tatsächlich dort ist, sollten wir nicht so nah ans Haus heranfahren, dass er den Motor hört.»
    Vor dem Aufbruch schaute sie noch einmal in der Einsatzzentrale vorbei, setzte sich auf die Kante von Charlies Schreibtisch und erteilte ihm ein paar Anweisungen. «Sie setzen jetzt mal Ihren Hintern in Bewegung. Ein bisschen frische Luft wird Ihnen guttun, und außerdem will ich, dass Sie etwas für mich überprüfen.»
    Auf der Fahrt nach Deepden versuchte Vera, sich den Grundriss der Beobachtungsstation wieder in Erinnerung zu rufen. Der Bungalow stand zur Straße hin, dahinter erstreckte sich der Obstgarten. Das verwilderte Gartenstück mit dem Teich lag zwischen dem Haus und den ebenen Feldern zur Küste hin.
    Eigentlich wollte Vera vermeiden, dass irgendwer erfuhr, wo sie hinfuhren, doch Ashworth bestand darauf, sein Handy so lange anzulassen, bis sie bei der Beobachtungsstation waren. «Sarah muss mich schließlich erreichen können.» Am liebsten hätte sie ihn angeschrien:
Und was machst du, wenn bei deiner Frau die Wehen einsetzen? Lässt du mich dann einfach dort allein und fährst weg, um glückliche
Familie zu spielen? Oder bleibst du vielleicht doch bei mir, um da zu sein, wenn wir diesen Fall lösen, und lässt deine Frau alleine gebären?
Sie konnte beim besten Willen nicht sagen, was er darauf geantwortet hätte. Vielleicht waren ihm ja ähnliche Gedanken gekommen, denn sie spürte, wie nervös er da neben ihr auf dem Beifahrersitz saß, im Schein seiner kleinen Taschenlampe die Karte las und mit dem Finger der Fahrstrecke folgte.
    «Heute übernachtet niemand in der Beobachtungsstation», sagte er. «Ich habe eben noch die Sekretärin angerufen.» Das hatte er ihr bereits erzählt. Offenbar konnte er ihr Schweigen nicht gut ertragen. Das sah ihm gar nicht ähnlich; sonst war er eher ein gelassener Zeitgenosse. Vielleicht hätte sie ihn ja doch in der Einsatzzentrale lassen sollen, wo er alle zehn Minuten mit seiner Frau telefonieren konnte. Doch Vera war es gewohnt, ihn in den entscheidenden Situationen bei sich zu haben. Und sie war froh, nicht alleine rausfahren zu müssen. Jetzt räusperte sich Ashworth. «Am Montag war anscheinend einiges los. Sie hatten einen seltenen Vogel gesichtet. Sonst kommen um diese Jahreszeit eigentlich nur an den Wochenenden Leute.»
    Vera hielt am Straßenrand und stellte den Motor aus. Hier draußen gab es keine Straßenlaternen, es war so still, dass man sogar das Ticken des abkühlenden Motors hörte. Weil es zudem schon fast dunkel war, konnte man weder Farben noch Einzelheiten erkennen, doch Vera machte den Umriss der Hecke aus, die neben ihnen die Straße säumte.
    «Ich gehe ein Stück die Straße hoch», sagte sie. «Mal sehen, ob Licht im Bungalow brennt, ob ein Wagen dort steht.»
    Ashworth antwortete nicht.
    Als Vera aus dem Wagen stieg, war es draußen so heiß, dass man meinen konnte, in Spanien zu sein. Es hätte sie nicht weiter gewundert, Grillen zirpen zu hören und den Duft von Rosmarin zu riechen. Während sie die Straße entlangging, dicht an der Hecke, um

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