Totenblüte
entlang, und Peter zeigte ihr eine Schwarzkopfmöwe. Er hatte ein Fernglas dabei, was sie merkwürdig fand, wo er doch Botaniker war. Damalswusste sie noch nicht, welchem Gebiet seine eigentliche Leidenschaft gehörte.
«Hast du noch Termine heute?», fragte er sie. «Eine Vorlesung vielleicht?» Er nahm ihre Hand, zeichnete mit dem Finger die Linien ihrer Handfläche nach. Die Sonne schien, und so trug er diesmal keine Handschuhe. «Ich will dich zu nichts verführen.»
«Ach nein?»
Er lächelte sie an. «Na, möglicherweise doch. Lass uns noch einen Tee bei mir trinken.»
Er wohnte nicht weit entfernt, in North Shields, in einer Dachwohnung mit Blick auf den Northumberland Park. Das Haus gehörte einem ältlichen Schwesternpaar, das selbst darin wohnte. Eine der beiden arbeitete im Garten, als sie ankamen, und rechte Laub auf dem Rasen zusammen. Sie winkte ihnen freundlich zu und setzte dann ihre Arbeit fort, ohne Felicity ungebührlich viel Aufmerksamkeit zu schenken. Die Wohnung war auffallend ordentlich, und Felicity fragte sich, ob er wohl extra aufgeräumt hatte. Überall standen Bücher. An einer Wand hing eine großformatige topographische Karte, die das Gebiet seiner Feldstudien zeigte, und wenn man hereinkam, fiel man fast über ein Teleskop auf einem Stativ. Es gab ein Wohnzimmer, von dem eine winzige Küche und ein Bad abgingen, und eine weitere Tür, hinter der Felicity das Schlafzimmer vermutete. Diese Schlafzimmertür schien eine fast magische Anziehungskraft auf sie auszuüben, sie musste immer wieder hinschauen, während Peter in der Küche Tee machte. Es war eine getäfelte Tür, unter der weißen Lackfarbe schimmerte die Holzmaserung hervor. Der Türknauf war rund und aus Messing. Felicity fragte sich, ob das Schlafzimmer wohl auch so aufgeräumt war, ob er vielleicht sogar das Bett frisch bezogen hatte. Amliebsten hätte sie heimlich einen Blick hineingeworfen, doch da kam er bereits mit dem Teetablett ins Zimmer zurück. Er hatte Tassen und Untertassen mitgebracht, die nicht zueinander passten, und ein paar Scheiben Früchtebrot mit Butter bestrichen.
Später am Nachmittag betraten sie schließlich dieses Schlafzimmer und schliefen miteinander. Für sie war es das erste Mal und nicht gerade ein weltbewegendes Ereignis. Eine Zeit lang fummelten sie etwas ungeschickt mit einem Kondom herum, mit dem er anscheinend kaum besser umgehen konnte als sie, und am Ende hatten sie es dann wohl doch falsch gemacht, oder es war sonst etwas schiefgegangen, denn bald danach merkte Felicity, dass sie schwanger war. Es musste bei diesem ersten Mal passiert sein. Im Lauf der Zeit wurden sie routinierter, und Felicity begann, Spaß daran zu finden. Selbst an jenem ersten Nachmittag hatte sie bereits eine Art Ahnung davon bekommen, wie wunderbar die Liebe sein konnte, und das war sehr viel mehr, als sie erwartet hatte.
Wenig später, noch ehe sie wusste, dass sie schwanger war, nahm sie Peter mit zu ihren Eltern. Es war ein nasser, unfreundlicher Tag, und obwohl es erst Mittag war, sahen sie bei der Anfahrt zwischen den Bäumen das Licht im Wohnzimmer schimmern und ein Feuer im Kamin. «So war es immer, wenn ich von der Schule nach Hause kam», erzählte Felicity. «Einladend und heimelig.» Peter sprach nicht viel von seinen Eltern. Sie waren Geschäftsleute und offenbar sehr beschäftigt. Felicity gab er das Gefühl, ihr Verhältnis zu ihren Eltern sei sentimental und übertrieben romantisch.
Ihre Mutter hatte eine dicke Gemüsesuppe gekocht, Felicitys Leibgericht, und dazu gab es selbstgebackenes Brot. Nach dem Essen setzten sie sich mit Kaffee undSchokoladenkuchen vor den Kamin. Peter war anfangs recht schweigsam gewesen. Er schien sich ähnlich fehl am Platz zu fühlen wie Felicity an der Universität. Er tastete sich voran. Doch jetzt, als sie vor dem Kamin saßen, schien er sich langsam zu entspannen. Felicity ihrerseits fühlte sich unnatürlich müde. Sie lauschte dem Gespräch wie im Halbschlaf. Peter erzählte von seiner Arbeit, ihr Vater stellte ihm Fragen – nicht aus Höflichkeit (Felicity merkte immer sofort, wenn ihr Vater einfach nur höflich sein wollte), sondern weil es ihn ernsthaft interessierte. Ein Glück, dachte Felicity. Sie verstehen sich. Dann musste sie wohl tatsächlich eingeschlafen sein, denn sie schreckte urplötzlich hoch, als ein Holzstück herunterfiel und Funken schlug, die auf den Kaminvorleger stoben. Ihre Mutter lächelte nachsichtig und machte eine kleine Bemerkung
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