Totenblüte
über wilde Partys. Dieselbe bleierne Müdigkeit hatte Felicity auch zu Beginn ihrer späteren Schwangerschaften verspürt.
Es war Peters Idee gewesen zu heiraten. Felicitys Eltern hatten sie überhaupt nicht unter Druck gesetzt; sie schienen sogar ihre Zweifel zu haben, ob diese Eile überhaupt angebracht war: «Ihr seid doch erst so kurz zusammen.» Vermutlich hätten sie Felicity auch unterstützt, wenn sie sich für eine Abtreibung entschieden hätte. Doch Peter bat darum, allein mit ihren Eltern reden zu dürfen. So fuhren sie also ein zweites Mal ins Pfarrhaus, und die drei unterhielten sich in der Küche, während Felicity mit einem Buch im Wohnzimmer saß und mal wieder einnickte. Sie hatte das Gefühl, als wäre ihr die ganze Sache völlig aus der Hand genommen, und war ohnehin viel zu erschöpft, um eine Entscheidung zu treffen.
Auf der Fahrt zurück nach Newcastle fragte sie Peter, was er denn nun mit ihren Eltern besprochen habe. «Ichhabe ihnen erzählt, dass ich dich schon in dem Moment heiraten wollte, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe.» Felicity glaubte, nie etwas Romantischeres gehört zu haben, und so heirateten sie.
Sie war so in ihre Erinnerungen versunken, dass sie überrascht aufschreckte, als unten eine Tür zufiel. Das Badewasser war inzwischen nur noch lauwarm. Felicity stieg aus der Wanne, wickelte sich in ein Badetuch, trat auf den Flur hinaus und rief die Treppe hinunter: «Peter? Ich bin hier oben.»
Keine Antwort. Sie schaute über das Geländer nach unten, sah ihn aber nicht. Immer noch in das Badetuch gewickelt, ging Felicity die Treppe hinunter und hinterließ auf jeder Stufe einen feuchten Fußabdruck. Es war niemand im Haus. Sie hatte sich wahrscheinlich nur eingebildet, dass die Tür zugefallen war, und doch wurde sie an diesem Tag das Gefühl nicht mehr los, dass jemand in ihr Haus eingedrungen war.
KAPITEL NEUN
Die Haftanstalt Acklington lag an der Küste und damit fast auf Veras Heimweg. Es war nicht einfach gewesen, so spät am Nachmittag noch einen Besuchstermin bei Davy Sharp zu bekommen. Die offiziellen Besuche von Anwälten, Bewährungshelfern und Polizisten fanden vormittags statt, da waren die Gefängnisvorschriften unerbittlich. Es hatte Vera einige eingeforderte Gefälligkeiten und telefonische Wutausbrüche gekostet, bis sie endlich zugestimmt hatten. Jetzt hielt sie vor dem Gebäude und ging zum Tor. Über den ebenen Feldern zum Meer hin flimmerte die Hitze. Alleswar still. Die Sonne brannte immer noch, und Vera spürte den Schweißfilm, der sich schon auf dem kurzen Weg zum Gefängnis auf Stirn und Nase gebildet hatte. Der Pförtner begrüßte sie mit Namen, obwohl sie ihn nicht zu kennen glaubte. Er war nett und plauderte ein wenig über das Wetter, während Vera ihm ihr Mobiltelefon aushändigte und sich in die Besucherliste eintrug.
«Wenn das nicht bald umschlägt, kriegen wir hier noch richtig Spaß», sagte er. «Die Hitze macht den Insassen zu schaffen. In den Werkstätten ist es kaum auszuhalten. Ist nur noch eine Frage der Zeit, bis einer loslegt, und dann können wir froh sein, wenn es keine richtige Meuterei gibt.»
Vera wartete im Besuchszimmer, während der Wärter Davy Sharp holen ging. Die ganze Hitze des Tages schien sich in diesem kleinen, quadratischen Raum zu stauen, und durch das Fenster oben an der Wand knallte immer noch die Sonne herein. Im Winter, auch das wusste sie, war es bitterkalt hier im Gefängnis, der Wind schien direkt aus Skandinavien hereinzuwehen. Vera versuchte, sich zu sammeln. Sie hatte schon früher mit Davy Sharp zu tun gehabt. Er konnte mürrisch und verstockt sein, aber auch ungeheuer liebenswürdig. Sie stellte ihn sich als Schauspieler vor oder als Chamäleon. Er konnte jede Rolle spielen, die die jeweilige Situation gerade erforderte, und man war sich nicht immer ganz sicher, wie man auf ihn reagieren sollte. Vor allem musste man sich klarmachen, dass er viel intelligenter war, als er vorgab. Und ihre eigenen Gedanken wanderten währenddessen immer wieder zu einem kühlen Bier, so frisch aus dem Kühlschrank, dass außen am Glas Wassertropfen herunterrannen. Sie hatte dieses Bild schon vor Augen, seit sie von Geoff Armstrong weggefahren war.
Draußen auf dem Flur waren schwere Stiefel zu hören, Schlüssel rasselten an einer Kette, dann wurde die Tür geöffnet. Davy trug Jeans, Turnschuhe und ein blau-weiß gestreiftes Hemd. Er glitt fast lautlos in den Raum. Den Lärm hatte der Gefängniswärter
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