Totenblüte
selbst viel erwachsener vor. Peter brachte selten die Geduld auf, mit ihm zu spielen, doch Felicity besiegte er inzwischen fast jedes Mal. Sie wartete draußen vor der Schule auf ihn und schaute dabei hin und wieder auf die Uhr. Sie hatte ihm eingeschärft, pünktlich zu sein, weil sie noch das Geburtstagsessen vorbereiten musste, und trotzdem kam er als Letzter über den Schulhof gebummelt. Eigentlich sollte ich doch froh sein, dachte sie, dass er so unbeschwert ist.
Auf der Heimfahrt erzählte er ununterbrochen von der Partie, die er gerade gespielt hatte, und Felicity musste ihm schließlich ins Wort fallen, um ihn nach der Referendarin zu fragen, die sich das Gartenhaus angeschaut hatte.
«Hat Miss Marsh etwas gesagt, ob sie dort einziehenwill?», fragte sie ihn, als sie in die Zufahrtsstraße zum Haus einbogen.
«Nein», antwortete James zerstreut, und sie merkte ihm an, dass er immer noch an andere Dinge dachte. «Ich habe sie heute gar nicht gesehen.»
Felicity nahm an, dass die ganze Sache damit vom Tisch sein würde. Schade im Grunde. Es wäre sicher nett gewesen, die junge Frau ein paar Wochen lang als Nachbarin zu haben, bis das Schuljahr zu Ende war. Dann musste sie fast bis in die Hecke ausweichen, weil ein Landrover aus der Straße herausgefahren kam, und dachte nicht weiter daran.
Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass Peter an diesem Abend früher von der Arbeit kommen würde, doch dann kam er sogar noch später als sonst. Felicity hatte bereits einen ersten Anflug von Sorge verspürt. Auf der Straße aus der Stadt hierher passierten ausgesprochen viele Unfälle. Bevor sie anfangen konnte, sich ernsthaft Sorgen zu machen, kam er dann aber doch, und sie begrüßte ihn vor Erleichterung ungewohnt liebevoll. Sie umarmte ihn, küsste ihn auf Hals und Augenlider und begleitete ihn dann nach oben, um sich zu ihm zu setzen, während er sich umzog. Kurze Zeit später hörten sie die Autos in der Einfahrt, Felicity musste nach unten eilen, um die Gäste zu begrüßen, und gleich darauf ertönten in der Diele Männerstimmen und Gelächter. Felicity war froh, dass Peter Freunde hatte. Von seinen Universitätskollegen traf er niemanden privat. Und sie hatte die drei Jungs immer schon gemocht: den zuvorkommenden Samuel, den schüchternen Clive und Gary, den kleinen Schwerenöter. Sie mochte ihre durchtrainierten Körper, gestählt vom vielen Wandern in den Bergen, und sie mochte die Bewunderung, die sie ihr entgegenbrachten. Sie wusste, dass alle drei Peter um sie beneideten.Vor allem Clive lag ihr regelrecht zu Füßen, und sie fühlte sich geschmeichelt, wenn sein Blick ihr durch den Raum folgte. Es gefiel ihr auch, dass er rot wurde, wenn sie ihm ihre Aufmerksamkeit zuwandte. Trotz allem aber fühlte sie sich immer ein wenig ausgeschlossen, wenn die vier zusammen waren. Sie hatten nichts weiter gemeinsam als ihr naturkundliches Interesse, doch das war für jeden von ihnen eine alles verzehrende Leidenschaft, die Felicity nicht teilen konnte.
Sie waren ausgesucht höflich zu ihr. Samuel hatte ihr das Manuskript seiner neuesten Kurzgeschichte mitgebracht. «Ich dachte, es interessiert dich vielleicht. Du weißt ja, wie sehr ich deine Meinung schätze.» Felicity küsste alle drei nacheinander und genoss es, ihre Hand für einen kurzen Moment auf einer muskulösen Schulter, einem durchtrainierten Rücken ruhen zu lassen. Als sie Samuels trockene Lippen an der Wange spürte, durchfuhr sie ein Schauer der Erregung.
«Geht doch schon mal in den Garten», sagte sie. «Ich mache euch einen Tee.»
Doch Peter, der einen recht aufgekratzten Eindruck machte, erklärte, seine Freunde wollten von Tee nichts wissen, sie wollten Bier, und so kamen sie alle mit in die Küche, um sich eines zu holen, und standen ihr bei ihren Abendessensvorbereitungen im Weg herum. Peter genoss sichtlich jede Sekunde. Bei Samuel war Felicity sich nicht ganz sicher – sie konnte mitunter nicht einschätzen, was er dachte. Doch die anderen beiden waren mit Sicherheit ergebene Peter-Jünger. Sie hielten ihn für den klügsten Menschen, den sie kannten, und waren überzeugt, dass er einzig und allein aus politischen Gründen bei der Arbeit übergangen worden war und die Seltenheitskommission seine Aufzeichnungen nur deshalb ständig abwies, weilman ihm dort seine Fähigkeiten neidete. An einem Abend wie diesem hatten sie die Möglichkeit, ihm zu zeigen, dass sie ihn schätzten und ihm treu ergeben waren. Und Peter blühte regelrecht
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