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Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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auf die Uhr. Halb neun bereits. Sonst aß Peter nicht gern so spät, doch heute würde ihn das nicht weiter stören. Felicity war sich sicher, dass er den Abend genoss.
    Schließlich fand sie sie alle auf dem Ausguck, der auf der dem Meer zugewandten Seite des Leuchtturms stand. Früher war das einmal ein Beobachtungsposten der Küstenwache gewesen, doch inzwischen hatten die Vogelkundler ihn gekapert, um Seevögel zu beobachten. Da saßen sie jetzt in einer Reihe auf der Bank und schauten auf die Bucht hinaus. Der Ausguck zog sie magisch an, obwohl es gar nicht die richtige Jahreszeit war, um Seevögel zu beobachten. Andere Männer entspannten sich im Pub, doch diese vier fühlten sich hier am wohlsten. Als Felicitydie Holzstufen erklimmen wollte, drangen von oben Gesprächsfetzen herunter, und sie blieb stehen, ohne sich bemerkbar zu machen, und hörte zu.
    «Wieso kann man eigentlich so lange aufs Meer schauen?», fragte Gary. «Es gibt doch eigentlich nichts Entspannenderes, oder? Das ist wie Zen oder so was.»
    Felicity musste lächeln. Was wusste Gary denn schon von Zen? Er kannte sich mit Mischanlagen aus, mit Rockmusik und Akustik. Aber doch nicht mit Zen.
    Eine Zeit lang gab ihm niemand eine Antwort. Clive hatte sich vorgebeugt und schien ganz auf den Horizont konzentriert. Er hatte sein altes Fernglas dabei, das er mit etwa zwölf von seiner Mutter geschenkt bekommen hatte. Dabei war er für seine scharfen Augen berühmt.
    Schließlich ergriff Peter das Wort. Er klang so besserwisserisch, als spräche er vor seinen Studenten, und schien jedes Wort abzuwägen.
    «Es geht um Möglichkeiten, meinst du nicht? Um Chancen und Möglichkeiten. Um die Willkürlichkeit des Universums. Wir können hier vier Stunden lang sitzen und allenfalls ein paar Schwarzschnabelsturmtaucher zu sehen bekommen. Aber dann dreht der Wind, die Wetterfront verschiebt sich, und plötzlich sind mehr Vögel da, als wir zählen können.»
    Clive lehnte sich wieder zurück und ließ das Fernglas sinken. Felicity rechnete damit, dass er gleich etwas Tiefgründiges sagen würde. Das tat er manchmal. Diesmal aber vermeldete er nur, Richtung Norden zwei Papageitaucher gesehen zu haben, und schaute dann wieder aufs Meer hinaus.
    Felicity kletterte in den Ausguck hinauf. James sprang von der Bank, kam auf sie zu und schnitt dabei eine Grimasse. Sie merkte, dass er unruhig war und sich langweilte.
    «Gehen wir dann jetzt nach Hause?»
    «Schau doch noch ein bisschen zu den Tümpeln zwischen den Steinen. Aber nicht zu weit weg, verstanden?»
    Samuel war ebenfalls aufgestanden. «Vielleicht sollten wir uns doch langsam auf den Rückweg machen? Es ist sicher längst Essenszeit.»
    Felicity lächelte ihn an. Er war immer so rücksichtsvoll. «Es ist ein schöner Abend, und außerdem hat Peter Geburtstag. Genießen wir es hier doch noch ein Weilchen.»
    Als sie James schreien hörte, war ihr erster Gedanke, dass Peter sich über dieses Theater ärgern könnte. Das wollte sie keinesfalls riskieren, wo er gerade in einer so aufgeräumten Stimmung war. James dramatisierte gern. Wahrscheinlich hatte er nur eine lebende Krabbe gefunden oder eine Qualle, die von der Flut auf die Felsen gespült worden war.
    «Keine Sorge», sagte sie. «Ich kümmere mich schon um ihn. Vielleicht sollten wir dann doch langsam aufbrechen.»
    Doch das Schreien nahm kein Ende, und Felicity spürte, wie sie in Panik geriet, sich einen fürchterlichen Unfall ausmalte. Womöglich war er ausgerutscht und hatte sich an einem scharfen Felsen verletzt oder sich etwas gebrochen. Zunächst sah sie ihn auch gar nicht, hörte nur sein Geschrei. Ihr Sohn schien sich in Luft aufgelöst zu haben, was ihre Panik nur noch vergrößerte. Sie kletterte über die Steine, rutschte aus und spürte, wie der Saum ihres Kleides riss. Schließlich entdeckte sie ihn, schaute von oben auf ihn herab. Er stand in einer tiefen Senke, in deren Mitte sich ein flacher Tümpel gebildet hatte. Erst sah Felicity nur die Blumen. Sie trieben auf der Wasseroberfläche, gleich am Rand des Tümpels, dort, wo auch ihr Sohn wie festgefroren stand, mit weit aufgerissenem Mund. Sie sahMohn- und Butterblumen, Margeriten und rosa Kleeblüten. Jemand musste ins Wasser gewatet sein, um sie dann vorsichtig auf der Oberfläche zu verteilen. Zumindest sah es für Felicity so aus. Es war völlig windstill. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Blüten bis dorthin an den Rand getrieben sein sollten, wenn man sie vom Ufer aus

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