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Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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interessierten sich auch nicht für den Tod einer fremden jungen Frau. Ihnen ging es nur um Luke. Vera suchte einen Platz auf dem Couchtisch, um den Becher abzustellen. «Ich wollte einfach, dass Sie das vorher wissen», sagte sie. «Die Zeitungen werden darüber berichten. Und möglicherweise wird es dadurch leichter für uns, Lukes Mörder zu finden. Dann haben wir mehr Material.» Zumindest theoretisch. Sie stand auf. «Ich werde dann jetzt gehen, Mrs   Richardson. Falls es etwas Neues gibt, melde ich mich sofort.»
    Julie stand ebenfalls auf. «Warum haben Sie mich nach Gary gefragt?»
    «Einfach so, Herzchen. Reine Routine.»
    An der Tür drehte Vera sich noch einmal um. «Hatte Luke eigentlich einen Zweitnamen?»
    «Geoffrey», sagte Julie. «So wie sein Vater.»
    Also nichts mit Blumen. Keine Verbindung.
    Als Vera die Straße entlangging, glaubte sie, die Blicke hinter den Gardinen zu spüren. Die Nachbarn würden warten, bis sie losgefahren war; erst dann würden sie zum Telefon greifen, um die neuesten Gerüchte miteinander zu besprechen.

KAPITEL ACHTZEHN
    Früher, dachte Gary, hätte er niemals zugegeben, in North Shields zu wohnen. Erst recht nicht beim ersten Gespräch mit einer Frau, die er beeindrucken wollte. Leute von anderswo hatten Vorurteile. Lauter Wohltätigkeitsläden und verrammelte Häuser, und bis auf Wilkinson und Poundstretcher keine Geschäfte, die nennenswerten Umsatz machten. Selbst jetzt wartete man an der Metro-Haltestelle noch zusammen mit jungen Müttern im Teenageralter und Banden von Jugendlichen, die wieder aus dem Wagen sprangen, sobald sich ein Kontrolleur blickenließ. Und trotzdem hatte sich so einiges geändert. Inzwischen nickten die Leute wissend, wenn er erzählte, dass er in Shields lebte. Zu jemandem mit seinem Beruf passte das. Eine nach wie vor alles andere als bürgerliche, aber doch interessante Gegend. Es gab neue Wohnhäuser dort, neue Bars und Restaurants am Fish Quay. Inzwischen wohnten sogar schon zwei Schriftsteller hier. Die Immobilienpreise in Tynemouth waren gestiegen, sodass die Leute auch über die Grenze kamen; die Sphären vermischten sich. Heutzutage musste man sich nicht mehr schämen, in Shields zu leben. Beim Sonntagsquiz im Maggie Bank, dem Pub um die Ecke, wimmelte es nur so von Unidozenten und Sozialarbeitern. Früher war Gary da regelmäßig hingegangen, inzwischen war er nur noch dort, wenn er alte Kumpel treffen wollte. Er gewann sowieso nie, obwohl er bei der Musikrunde immer Punkte machte.
    Er wohnte in einem neueren Wohnhaus in einer der steilen Straßen, die vom Fish Quay ins Zentrum führten, einem vierstöckigen Gebäude. Auf der einen Seite befand sich eine backsteingotische Methodistenkapelle und auf der anderen ein Teppichladen. Die Wohnung hatte er kurznach der Trennung von Emily gekauft, und wenn er zurückdachte, konnte er sich an den ganzen Umzug praktisch nicht mehr erinnern. Als er den Vertrag unterschrieb, war er sturzbesoffen gewesen und hatte den Makler wegen irgendeiner Lappalie angebrüllt, die ihn aufgeregt hatte. Clive hatte ihm geholfen, die paar Möbel, die nicht in den Aufzug passten, die Treppe hochzutragen, er hatte ihn bei Northern Electric angemeldet, um die Stromversorgung zu sichern, und ihm sogar Tee gekocht. So ein Freund war Clive eben. Er machte nicht viel Wind, war einfach nur da, wenn man ihn brauchte. Und Gary hoffte zwar, dass er umgekehrt dasselbe tun würde, war sich da aber nicht so sicher. Inzwischen fühlte er sich in der Wohnung mehr zu Hause als an jedem anderen Ort, wo er seit seiner Kindheit gewohnt hatte. Es würde ihm schwerfallen, hier wieder auszuziehen.
    Am Morgen hatte er Clive von Fox Mill aus mit in die Stadt genommen. Auf der Fahrt hatten sie über das tote Mädchen im Tümpel geredet und den örtlichen BB C-Kanal im Radio eingeschaltet, um zu hören, ob darüber schon in den Nachrichten berichtet wurde. Geredet hatte hauptsächlich Gary. Clive hatte gar nicht viel gesagt, aber das machte er eigentlich nie. Vielleicht kamen sie deshalb so gut miteinander klar; Gary liebte ein bereitwilliges Publikum. In der Schule war Clive ein Einzelgänger gewesen. Auch jetzt hatte er keine anderen Freunde, nur Gary, Samuel und Peter. Die Tote kam gleich als Erstes in den Lokalnachrichten, es wurden aber keine Einzelheiten genannt. Kein Wort über den Fundort oder die Blumen. Nicht einmal ihr Name.
    Gary ging hinaus auf den Balkon und schaute über die Stadt zum Fluss hinunter. Flussaufwärts legte

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