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Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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auf und ging zum Balkon. Die Tür stand immer noch offen. Draußen kabbelten sich kreischend zwei Silbermöwen. Er schämte sich fast selbst dafür, aber eigentlich dachte er gar nicht an Julie. Er hatte vor allem Mitleid mit sich selbst.
    Vera hatte sich vom Sofa gestemmt und folgte ihm auf den Balkon hinaus. «Ist Ihnen klar, dass er in der Nacht ermordet wurde, als Sie mit Julie aus waren?», fragte sie.
    Gary drehte sich entsetzt zu ihr um. «Am Mittwoch?»
    «Ja. Sie hat ihn gefunden, als sie aus der Stadt nach Hause kam.» Vera hielt inne und sah ihn konzentriert an. «Was für ein Zufall. Erst graben Sie kurz vor dem ersten Mord die Mutter des Opfers an, und kurz darauf finden Sie das zweite Opfer.»
    «Aber ich kannte doch beide Opfer nicht», beteuerte Gary. «Ganz ehrlich.»
    «Erzählen Sie mir doch mal, wie das mit Julie lief», sagte Vera. «Hat Sie jemand verkuppelt? Ein Freund vielleicht, der sie gesehen hat und sich dachte, sie könnte Ihr Typ sein? Hatte da jemand anders die Finger im Spiel?»
    «Nein, überhaupt nicht. Wieso fragen Sie?»
    «Wahrscheinlich ohne jeden Grund», sagte Vera. «Ich suche nur immer noch nach Verbindungen. Es könnte doch sein, dass jemand Sie beide zusammengebracht hat,um Informationen über Julie aus erster Hand zu bekommen. Aber Verschwörungstheorien waren noch nie meine Stärke.»
    Da erzählte Gary trotz allem von seiner ersten Begegnung mit Julie. Er wollte Vera diese Geschichte erzählen, weil sie in seinen Augen das Zeug hatte, zur Familienlegende zu werden, die man irgendwann noch seinen Enkeln erzählte. Sie standen nebeneinander auf die Balkonbrüstung gestützt und schauten hinunter auf die Straße. «Wir sind uns zufällig begegnet. Wirklich reiner Zufall. Ich hatte sie schon vorher in einer anderen Bar gesehen. Oder besser gesagt, zuallererst habe ich sie gehört. Ihr Lachen. Sie hat so ein ganz bestimmtes Lachen, Sie wissen schon, richtig ansteckend. Und dann habe ich festgestellt, dass sie mir irgendwie bekannt vorkam. Ich hatte sie zwar seit der Grundschule nicht mehr gesehen, aber ich habe sie trotzdem wiedererkannt. Eigentlich unglaublich, nach so langer Zeit. Und dann wusste ich es plötzlich. Ich wusste, dass ich eigentlich genau das will. Mit einer Frau wie ihr zusammen sein, einer Frau, die so lachen kann. Eigentlich stand ich immer eher auf jüngere Frauen. Richtige Schönheiten, wissen Sie. Aber die haben sich nie gehalten. Wahrscheinlich gehört das auch zum Älterwerden, diese Gedanken, jemanden finden zu wollen, mit dem man dauerhaft zusammenbleibt. So wie die feste Stelle am Sage, obwohl ich mir immer geschworen habe, mein Leben lang selbständig zu bleiben.»
    Vera hörte unbeteiligt zu. «Gut», sagte sie dann. «So hat Julie es mir auch erzählt. Sie hat sich allerdings auf die Fakten beschränkt und die rührseligen Passagen ausgelassen.»
    «Sie hat Ihnen von mir erzählt?»
    Vera antwortete nicht auf die Frage. «Haben Sie irgendwemgesagt, dass Sie sich an dem Abend mit ihr treffen wollten?»
    Er konnte sich das Lächeln nicht verkneifen. «Meinen Freunden natürlich. Ich hab’s nicht so mit Geheimnissen.»
    «Dann waren diejenigen, die gewusst haben, dass Sie sich am letzten Mittwochabend mit Lukes Mutter treffen würden, also alle auch mit Ihnen zusammen, als Sie Lily Marshs Leiche gefunden haben?»
    «Ich denke schon. Ich hatte mit Felicity über Julie gesprochen. Und am Montag hatten wir unser Treffen vom Vogelclub. Die Jungs waren alle da, und wir sind hinterher noch ein Bier trinken gegangen. Ich wollte, dass sie mir Ratschläge geben, welche Strategie ich fahren soll. Wahrscheinlich bin ich ihnen tierisch auf die Nerven gefallen.»
    «Ich dachte, Männer reden untereinander nicht über solche Themen.»
    «Tja. Was soll ich sagen? Ich bin eben nicht so der starke, schweigsame Typ.»
    «Und die anderen? Werden die auch manchmal rührselig?»
    «Wir stehen uns eben sehr nahe», erwiderte Gary mit plötzlichem Ernst. «Da ist ja wohl nichts Falsches dran.»
    «Ich sollte langsam gehen», sagte Vera, rührte sich aber nicht vom Fleck. Er merkte, dass ihr der Blick vom Balkon gefiel.
    «Hat Julie Ihnen erzählt, warum Luke krank geworden ist?», fragte sie.
    «Ein Freund von ihm ist wohl ertrunken   …»
    «Gleich da unten», sagte Vera. «Ganz in der Nähe vom Fish Quay. Haben Sie irgendwas davon mitbekommen?»
    Er schüttelte den Kopf.
    Als sie zurück ins Zimmer gingen, blieb Vera vor demSchreibtisch stehen und deutete mit dem

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