Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
Vom Netzwerk:
Gartentor und verlangte Eintritt von den Neuankömmlingen.
    Samuel und Gary gingen ins Haus. Sie waren schließlich immer noch zahlende Mitglieder. Als er über die Schwelletrat, fühlte Gary sich sofort in die Zeit zurückversetzt, als sie noch regelmäßig herkamen. Drinnen roch es nach Holzfeuer, obwohl wahrscheinlich schon seit Monaten keines mehr gebrannt hatte. Nach Holzfeuer und nach dem Imprägniermittel, das man für Barbourjacken und Lederstiefel verwendete. Sie machten sich einen Tee, stibitzten jeder zwei Kekse aus der Dose im Küchenschrank und setzten sich dann auf zwei rostige, schmiedeeiserne Stühle am Teichufer.
    «Was hältst du denn eigentlich von dieser Sache am Freitagabend?», fragte Samuel.
    Gary brauchte einen Moment, bis er begriff, dass Samuel von der toten Frau am Leuchtturm sprach. «Diese Sache» – das schien ihm nicht ganz die richtige Bezeichnung für einen Leichenfund.
    «Keine Ahnung. Am Samstag stand diese Polizistin nochmal bei mir vor der Tür, die dicke Frau, die schon in Fox Mill war. Der tote Junge aus Seaton, das war Julies Sohn. Wir hatten uns am Mittwochabend in der Stadt getroffen, und als sie nach Hause gekommen ist, hat sie ihn gefunden. Ist schon ein irrer Zufall, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, sie glaubt mir, dass ich nichts mit dem Mädchen zu tun habe.»
    Samuel antwortete nicht gleich. Gary hatte ein paar von seinen Kurzgeschichten gelesen, und er erschrak jedes Mal wieder, wenn er feststellte, dass Samuel, der doch so gutmütig und durchschnittlich wirkte, so etwas schreiben konnte. Geschichten, die einen bis in den Schlaf verfolgten, sodass man nachts hochschreckte und die Bilder immer noch im Kopf hatte. Sein Schreiben beeindruckte Gary, machte ihm aber auch ein wenig Angst.
    «Und du hast Lily Marsh ganz sicher nicht gekannt?», fragte Samuel schließlich.
    «Natürlich nicht! Ich hatte sie noch nie im Leben gesehen.»
    Samuel schien mit dieser Reaktion zufrieden zu sein. «Vielleicht sollten wir wieder öfter herkommen», sagte er. «Ihnen zeigen, wie man’s richtig macht.»
    Doch bei Gary weckte Deepden zu viele Erinnerungen, Erinnerungen an die Zeit, als er fast durchgedreht war, weil Emily ihn verlassen hatte. Damals hatte er die Station gebraucht und die drei guten Freunde, die ihm Halt gaben. Aber jetzt, dachte er, war es Zeit, sich neuen Dingen zuzuwenden. Und obwohl er erst nachmittags im Sage sein musste, sagte er Samuel, er müsse jetzt langsam zur Arbeit. Er brachte seinen Teebecher zurück ins Haus und ging zu seinem Transporter. Am Feldweg parkten jetzt so viele Autos, dass er allein zum Wenden fast eine halbe Stunde brauchte.

KAPITEL ZWANZIG 
    Es war Montagmorgen. Wie immer in letzter Zeit wachte Vera mit einem leichten Kater auf und mit dem Gefühl, gar nicht richtig geschlafen zu haben. Das Fenster stand offen, der Hahn ihrer Nachbarn übertönte jedes andere Geräusch und hockte dabei anscheinend irgendwo in ihrem Kopf, gleich hinter den Augen. Vera wusste, dass sie dem Pärchen, das den kleinen Hof nebenan betrieb, suspekt war. Sie waren aus der Stadt hierhergezogen und hatten sich anfangs große Mühe gegeben, sich mit ihr anzufreunden, weil sie der absurden Idee anhingen, dass Leute vom Land ein umfangreiches Wissen über die Natur besäßen, die sie selbst als etwas beinahe Mystisches betrachteten. Dannhatten sie mitbekommen, dass Vera bei der Polizei war, was sie offensichtlich befremdlich fanden. Sie waren auf Demos gewesen, für sie war die Polizei der Feind. Vera war das alles sowieso gleichgültig. Nur manchmal gab sie sich der Vorstellung hin, dem Hahn den Hals umzudrehen.
    Sie schloss das Fenster, ging in die Küche, um sich einen Tee zu machen, und übersah dabei bewusst das schmutzige Geschirr, das sich in der Spüle stapelte. Nach dem ersten Schluck Tee war sie schon wieder voll drin in dem Fall, ihr Hirn lief auf Hochtouren. Die Reue über den Alkohol war vergessen, der Hahn ebenfalls. Dafür und für nichts anderes war sie gemacht.
    Für heute hatte sie sich vorgenommen, nach Newcastle zu fahren, in die große Stadt. So hatte sie das als Kind immer gesehen, als jede Fahrt in die Stadt noch wie ein Abenteuer gewesen war. Auf dem Weg holte sie Joe Ashworth zu Hause ab, schließlich wusste sie, dass man sie nicht allein auf die akademischen Granden loslassen konnte. Sie war viel zu laut und taktlos – am Ende beleidigte sie noch jemanden. Joe lebte in einer kleinen Wohnsiedlung am Ortsrand von Kimmerston. Auch er war in

Weitere Kostenlose Bücher