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Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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mitschwang, und ihr war klar, dass es ein schrecklicher Abend werden würde, wenn sie das tatsächlich machte, schlimmer noch als der letzte. Ein Reinfall. Sie überlegte, stattdessen ihre Töchter mit Partnern und Kindern einzuladen. Sie würde ein großes Familienfest geben. In ihrer Rolle als Mutter und Großmutter fühlte sich Felicity immerhin sicher. Sie beschloss, die Idee am Abend mit Peter zu besprechen. Dann hatten sie wenigstens etwas, worüber sie reden konnten, und würden nicht wie sonst in drückendem Schweigen beim Abendessen sitzen müssen.
    Wenn Joanna, ihre jüngste Tochter, zu Besuch kam, wohnte sie mit ihrem Mann immer draußen im Gartenhäuschen. Das war schon so gewesen, als Joanna noch studierte. An einem Wochenende war sie mit einer ganzen Gruppe von Freunden angerückt, und Felicity hatte befunden, dass es für alle Beteiligten das Beste sein würde, sie dort unterzubringen. Da konnten sie die ganze Nacht aufbleiben, trinken und Musik hören, ohne Peter auf die Nerven zu fallen oder James vom Schlafen abzuhalten. Jetzt beschloss sie, das Häuschen für den bevorstehendenBesuch vorzubereiten. Sie packte Putzlappen, Schaufel und Handfeger, Staubtücher und Politur in einen Eimer und ging über die Wiese zum Gartenhaus. Wenn ihre Mutter früher auf dem kalten Steinboden kniete und Kirchenbänke wienerte, auf denen nie jemand sitzen würde, hatte sie oft vom therapeutischen Nutzen des Putzens gesprochen. Felicity wollte diese Theorie in die Praxis umsetzen.
    Sie hatte das Gartenhaus seit dem Wochenende nicht mehr betreten, als Vera Stanhope hier gewesen war, und seit Weihnachten hatte niemand mehr darin gewohnt. Es roch muffig und feucht, trotz des warmen Wetters. Das war Felicity noch nie so deutlich aufgefallen. Vielleicht hatte Lily Marsh sich ja daran gestört. Vielleicht war sie deshalb einfach ohne Antwort verschwunden. Felicity legte einen Stein an die Haustür, damit sie nicht zufiel, und öffnete dann alle Fenster. Wenn die Tür offen stand, schien der Mühlbach noch näher als sonst. Sie hörte das Wasser draußen rauschen, als sie sich an die Arbeit machte.
    Sie zog das Bett ab und legte Betttuch und Kissenbezüge unten an die Treppe, befreite die Kommode vom Staub und polierte sie dann mit Bohnerwachs. Anschließend stieg sie auf einen Stuhl, putzte das Schlafzimmerfenster und schob es auf, um auch an die Außenseite zu kommen. Bereits jetzt besserte sich ihre Laune, und sie ertappte sich sogar dabei, wie sie ein Lied vor sich hin summte, das James in der Schule gelernt hatte. Sie holte den Besen aus dem Schrank in der Küche, kehrte damit unter dem Bett und fegte den Staub zu einem Haufen zusammen. Als sie ihn auf die Schaufel gekehrt hatte, fiel ihr auf, dass sie keine Mülltüten mitgebracht hatte, und so trug sie die Schaufel vorsichtig nach unten.
    Sie putzte die Kacheln im Bad, schrubbte die Kochplatten, wischte die Küchenschränke aus und fegte noch mehrStaub zusammen. Dann beschloss sie, dass sie einen Kaffee brauchte. Im Gartenhaus gab es nur ein Glas mit löslichem Kaffee und Milchpulver, doch Felicity fand, dass sie sich etwas Besseres verdient hatte. Sie ließ Fenster und Türen offen stehen, um noch eine Weile zu lüften, und ging zum Haus zurück. Das lange Gras strich ihr fedrig um die Beine, als sie über die Wiese ging.
    Im Haus setzte sie Wasser auf und warf einen Blick auf den Anrufbeantworter. Eine neue Nachricht. Samuel hatte angerufen. Korrekt und distanziert wie immer.
Vielleicht kannst du mich ja gelegentlich zurückrufen, falls du Zeit hast. Nichts Dringendes.
Doch selbst diese zurückhaltende Kontaktaufnahme machte sie schon nervös. Sie überlegte, dass er sich vielleicht mit ihr treffen wollte, malte sich aus, wie sie sein Haus in Morpeth betrat, wie er sie begrüßte. Sie rief zurück, doch niemand nahm ab. Bei aller Enttäuschung gefiel ihr das auch. Sie würde es später noch einmal versuchen, das war wenigstens etwas, worauf sie sich freuen konnte. Ein verzögerter Genuss. Sie goss den Kaffee in einen Warmhaltebecher, um ihn mit ins Gartenhaus zu nehmen, sich dort damit auf die Stufen zu setzen und aufs Wasser hinauszuschauen. Plötzlich kam sie sich regelrecht kindisch vor. Mary Barnes hatte doch bestimmt erst vor ein paar Monaten Frühjahrsputz im Gartenhaus gehalten und würde es auch noch einmal putzen, wenn Felicity sie darum bat, weil Jo zu Besuch kam. Sie hatte sich aufgeführt wie ein kleines Mädchen, das Hausfrau spielen wollte. Im letzten

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