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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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des Fiets klemmte eine Tüte, aus der eine Gouda-Kruste hervorlugte. Es war ein alltäglicher Anblick, aber er packte den Commissaris und riss ihn mit sich, fast rewind . Im einen Moment war er hier am Ufer der Amstel, im nächsten ging er eine Treppe hinunter zu einer massiven Holztür, die weit offen stand. Aus dem Halbdunkel dahinter drangder Geruch von Zigarrenrauch, Rotwein in alten Fässern und Käse der verschiedensten Reifestufen.
    Er war ein junger Polizist, und Simone lebte noch nicht lange bei ihm in Amsterdam. Zu der Zeit war sie oft allein aufgebrochen, um die Stadt zu erkunden, und bei einem ihrer Streifzüge hatte sie im Souterrain eines Fachwerkhauses in einer schmalen Seitenstraße nahe der Universität ein Käsegeschäft entdeckt, dessen Besitzer halb Holländer und halb Katalane war, ein kleiner, drahtiger Mann mit Augen wie glasierte Kohlen und einem messerklingendünnen Schnurrbart. Er trug stets eine braune, speckige Lederweste über einem karierten Hemd, die Bauchbinde eines Stierkämpfers und eine Baskenmütze, die schon die Anfänge des Spanischen Bürgerkrieges miterlebt hatte und seitdem offenbar auch nicht mehr gewaschen worden war.
    Simone hatte eine Nachricht auf dem Küchentisch hinterlassen, wo ihr junger stolzer agent sie finden konnte, und an diesem späten Nachmittag vor dreißig Jahren ging er in seiner blauen Uniform durch den dunklen Laden zu dem noch dunkleren Hinterzimmer, und es war, als durchquerte er ein Gemälde, das farbenprächtige Genrebild eines alten Meisters. Das Gemälde zeigte bauchige rote Käseräder aus Amstelveen, Edam und Voldendam und gelbe Stapel von Fabrikkäse. Es zeigte Boerenkaas aus Rohmilch, löchrigen Gatenkaas und bräunliche Berge von mild und sahnig schmeckendem Frühkäse. Weiter hinten zeigte es blassgrüne Pyramiden von Hartkäsestücken, die schon ein halbes oder ein ganzes Jahr gelagert worden waren und entsprechend würzig und scharf schmeckten, und Gewürzkäse mit dem Aroma von Nelken, Kümmel oder Schnittlauch.
    Ganz im Hintergrund zeigte das Bild dann Säcke mit Nüssen auf großen Fässern mit Rotwein aus Italien, Spanien und Frankreich und Türme von Schokoladentafeln, und Bruno van Leeuwen, der junge agent in Uniform, schritt durch dieses alle Sinne betörende Gemälde zu einer Kammer am Ende des Raumes. Dort gab es eine Ebenholztheke, ein paar hochbeinige Hocker und noch mehr Fässer und Regale an den Wänden. Neben der Registrierkassestand eine rußige Öllampe, deren Licht kaum bis zu den Knoblauchkränzen am Türrahmen reichte. Auf den Hockern saßen drei junge Männer, die hingerissen zusahen, wie der Katalane große, orangefarbene Stücke aus einer Kaaskugel schnitt, und gerade als Van Leeuwen über die Schwelle trat und sich fragte, was wohl an dem Vorgang des Käseschneidens diese Begeisterung auf die Gesichter der jungen Männer zauberte, entdeckte er Simone. Mit nackten, übereinandergeschlagenen Beinen saß sie in einem kurzen schwarzen Kleid auf einem der Fässer, ein Glas Wein in der Hand. Sie saß nur da, sonst nichts, aber sofort erkannte Van Leeuwen, dass die Studenten nicht das Messer des Katalanen oder den Käse betrachteten, sondern seine Frau, und dass jeder von ihnen bereits rettungslos in sie verliebt war, so wie er selbst, und ihm gehörte sie.
    Jetzt wusste er wieder, wie stolz er gewesen war, stolz und dankbar, und er wusste auch noch, dass ihn dieses Gefühl nicht davon abgehalten hatte, einen Streit mit ihr zu beginnen, nachdem sie, ein paar Gläser Wein und einige Käsestücke später, den Laden wieder verlassen hatten. Denn damals war ihm die Stadt neu, wild und gefährlich vorgekommen; er hatte um seine unerfahrene Frau gefürchtet, und er war eifersüchtig gewesen. Auf den Straßen dieser Stadt, hatte er gedacht, musste jeder Schritt achtsam getan werden, weil er einen in die falsche Gegend, durch die falsche Tür führen konnte, hinter der ihrer beider Schicksal einschneidend verändert werden konnte oder zumindest unwiderruflich geprägt.
    Sie hatten sich auf offener Straße gestritten, im beginnenden Abend, dessen Stimmung dem hier und jetzt ähnelte, und er sah Sim noch vor sich stehen, so deutlich, als bräuchte er bloß die Hand auszustrecken, um sie zu berühren: das blonde Haar, durch das der Wind fuhr, die zornig funkelnden Augen in dem zu ihm hochgereckten, von Leidenschaft und Wein geröteten Gesicht und darunter der schlanke, anmutige Hals, den er neben ihren Augen am meisten geliebt hatte. Er

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