TotenEngel
Heute Abend kommt ein Interessent, der ihn sich ansehen will.«
»Fällt es Ihnen schwer, sich davon zu trennen?«
»Es fiel mir schwer, mich von ihr zu trennen.«
Er sah Ton Gallo, Vreeling und Julika im Großraumbüro an ihren Schreibtischen sitzen, klopfte gegen die Glasscheibe und deutete auf seine Armbanduhr. »Was für eine Sonderkommission?«, fragte er noch einmal. »Wieso weiß ich davon nichts?«
Sein Handy vibrierte in der Brusttasche seines Sakkos. Er holte es heraus, und weil der Anruf von der Staatsanwaltschaft kam, meldete er sich.
»Piryns hier«, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung. »Wie kommen Sie in den Mordfällen Zuiker und Soeteman voran?«
»Wir machen Fortschritte«, sagte der Commissaris vorsichtig, denn er glaubte eine ungewohnte Gereiztheit in der Stimme des Staatsanwalts zu erkennen.
»Mijnheer van Leeuwen«, fuhr Piryns nach einer kurzen Pause fort, »Sie wissen, dass ich Ihre Arbeit immer geschätzt habe und keiner der Staatsanwälte bin, die sich unablässig in die Ermittlungen der Polizei einmischen. Aber in diesem Fall – diesen Fällen, um genau zu sein – möchte ich ab jetzt über jede neue Entwicklung auf dem Laufenden gehalten werden, egal, welche. Und vor allem will ich auf gar keinen Fall wieder so unliebsame Überraschungen wie im Fall Wu erleben.«
»Im Fall Wu haben wir uns auf das Geständnis des Täters und die ursprüngliche Aussage der Ehefrau gestützt.«
»Der Richter hat Wu bis zur nächsten Verhandlung auf freien Fuß gesetzt«, berichtete Piryns, »und zwar ohne weitere Auflagen. Er musste lediglich seinen Pass abgeben. Ich habe meine Einwände vorgebracht, schwerwiegende Einwände, wie ich finde, aber unser Advocaat Manhijmer war wieder einmal unwiderstehlich.«
» Auf freien Fuß?! «, wiederholte Van Leeuwen. »Zheng Wu hat seinen Cousin hierher gelockt und kaltblütig ermordet! Wenn seine Frau uns nicht belogen hätte …«
Ganz uncharakteristisch für Piryns, fiel ihm der Staatsanwalt ins Wort. »Mijnheer van Leeuwen, ich verstehe Ihre Empörung, aber vielleicht bräuchte sie jetzt nicht ganz so heftig auszufallen, wenn Sie vorher etwas sorgfältiger gearbeitet hätten. Und in den Fällen Zuiker und Soetemann erwarte ich, dass sich diese Fehler nicht wiederholen. Ehrlich gesagt, habe ich nach einem Gespräch mit Hoofdcommissaris Joodenbreest nicht den Eindruck, dass Sie und Ihr Team wirklich Fortschritte machen. Ich unterstütze daher seinen Vorschlag, eine Sonderkommission unter seiner Leitung zu bilden, ausdrücklich.«
Van Leeuwen wandte Feline Menardi den Rücken zu, weil er merkte, dass sie sein Mienenspiel beobachtete. Er spürte sein Blut, das zu schnell floss, und zwang sich, ruhiger zu atmen. Die Tür des Konferenzraums am Ende des holzgetäfelten Gangs stand offen, und jetzt erschien Hoofdcommissaris Joodenbreest im Türrahmen und winkte ihnen. Auf seinem Gesicht glänzte eine Schicht von Fettcreme, unter der sich die höhensonnenverbrannte Haut schälte. »Ich muss Schluss machen«, sagte Van Leeuwen. »Wo finde ich Mijnheer Wu, falls ich noch Fragen an ihn haben sollte?«
»In seiner Wohnung«, antwortete der Staatsanwalt. »Sie wissen ja, wo die ist.«
»Danke, Doktor Piryns.« Der Commissaris unterbrach die Verbindung, ohne sich zu verabschieden; Gereiztheit zeigen konnte er auch.
»Unangenehme Neuigkeiten?«, erkundigte sich Feline Menardi.
»Wahrscheinlich nur ein Vorgeschmack«, vermutete Van Leeuwen, und als er und die anderen Teilnehmer an der Besprechung um die Walnussholztische im Konferenzraum saßen und hörten, wie der Hoofdcommissaris fragte: »Hat jemand von Ihnen in den letzten Tagen mal die Zeitungen gelesen?«, wusste er, dass er richtig vermutet hatte. Er konnte sehen, dass Gallo, Vreeling und Julika genauso überrascht waren, nur Doktor Menardi kritzelte unbeeindruckt etwas auf einen Block, der plötzlich vor ihr lag.
»Das habe ich mir gedacht«, fuhr Joodenbreest fort und hielt eine Ausgabe des N RC Handelsblad hoch wie ein in Blau undGold uniformierter Zeitungsjunge, der ein Extrablatt schwenkte. »Vorgestern erschienen, ein Artikel über eine Reihe seltsamer, unaufgeklärter Todesfälle im ganzen Land, die angeblich alle demselben Täter zugeschrieben und jetzt von uns fieberhaft untersucht werden, obwohl einige schon Jahrzehnte zurückliegen. Ich zitiere: Ein ranghoher Offizier der Amsterdamer Kripo ist dem Vernehmen nach mit einem Team von drei Beamten nach Overijssel gereist, um in Steenwijk und
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