Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
Vom Netzwerk:
nicht, dass es so schnell gehen muss …«
    Van Leeuwen spürte, wie seine Schläfen zu brennen begannen, dann die Stirn. »Und Oskar Manhijmer, hast du mit ihm geredet?«
    »In dem Fall ist er auf unserer Seite«, erklärte Gallo. »Er hat schon mit der Klinikdirektion Kontakt aufgenommen und die einstweilige Verfügung angekündigt, obwohl er noch nicht weiß, wie und in wessen Namen er sie kriegen …«
    »Willst du damit sagen, unser Mörder weiß vielleicht, dass ihm die Zeit davonzulaufen droht, wenn er Muriel Brautigam wirklich helfen will, und wir haben niemand bei ihr, der ihn stoppen kann?«, fragte Van Leeuwen und musste sich zwingen, auch jetzt noch leise zu reden. »Ton, ich will, dass sofort jemand von uns da rausfährt und nach ihr sieht, sofort!«
    Gallo wirkte mit einem Schlag hellwach. »Glaubst du, Jacobszoon hat sie getötet?«
    »Ich hoffe, nicht! Schick Julika da hin, sie soll bei Muriel im Zimmer bleiben, neben dem Bett, bis ich sie morgen früh ablösen komme. Und sie soll das Personal befragen und herausfinden, ob Jacobszoon wirklich heute Abend um halb zehn in der Klinik war. Außerdem muss Jacobszoons Haus rund um die Uhr beobachtet werden – er ist gerade daheim –, das kann Remco übernehmen.«
    »Aber der Ayatollah …«
    »Vergiss Joodenbreest. Du suchst weiter nach Verbindungen zwischen Van der Meer und Jacobszoon. Ich muss zurück ans Telefon. Wir reden morgen weiter.« Der Commissaris unterbrach die Verbindung, steckte das Handy in die Hosentasche und kehrte ins Arbeitszimmer zurück. Er griff wieder nach dem Hörer. »Sind Sie noch da, Doktor? Sie haben vor einigen Tagen versucht, mich im Präsidium zu erreichen. Ich war dienstlich unterwegs, aber man hat mir Ihren Anruf ausgerichtet. Deswegen habe ich heute Abend auf Ihren Anrufbeantworter gesprochen.«
    »So, ja … Ich wollte Ihnen sagen«, Jacobszoons Stimme nahm den Ton an, den Van Leeuwen von den Sendungen in Erinnerung hatte, »damals wollte ich Ihnen sagen, dass ich Ihnen jederzeit zuhöre, falls Sie jemand brauchen sollten, mit dem Sie reden können.«
    »Worüber?«
    »Nach Ihrem Besuch bei mir im Fernsehstudio habe ich mich über Sie informiert«, erklärte der Psychologe. »Sie waren – Sie haben auf mich so einen traurigen Eindruck gemacht. Sie haben kürzlich Ihre Frau verloren?«
    »Sie haben sich über mich informiert?«
    »Haben Sie jemand, mit dem Sie reden können?«
    »Sie haben sich über mich informiert? «, fragte Van Leeuwen noch einmal ungläubig.
    »Deswegen habe ich diesen Beruf ergriffen«, sagte Jacobszoon, ohne sich vom Kurs abbringen zu lassen. »Damit die Menschen jemand haben, der ihnen zuhört. Der nicht einfach den Hörer hinlegt und weggeht. Bestimmt haben Sie das auch schon erlebt, dassman sich an jemand wendet, man bittet vielleicht sogar in tiefster Verzweiflung um Hilfe, aber die ganze Zeit wird man das Gefühl nicht los, als würde man in ein Telefon sprechen, ohne dass irgendjemand am anderen Ende der Leitung ist. Man redet und bittet und fleht, aber es kommt kein Laut zurück, und irgendwann legt man entmutigt auf.« Er machte eine Pause von genau der richtigen Länge. »Wenn mich jemand anruft, bin ich da.«
    »Und dann?«, fragte Van Leeuwen und starrte in die Regennacht. Er versuchte, seinen unvermittelt aufgestiegenen Zorn unter Kontrolle zu bringen. »Dann gehen Sie hin und erlösen den Anrufer von seinen Qualen?«
    »Wogegen kämpfen Sie, Commissaris?«, fragte Jacobszoon so unbeirrt teilnahmsvoll, dass Van Leeuwen die Fassung zu verlieren drohte.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er, und in diesem Augenblick war es die Wahrheit. »Ich dachte, ich kämpfe gegen Gewalt, gegen Verbrechen und Verelendung. Aber wahrscheinlich kämpfe ich vor allem gegen mich selbst.«
    »Trinken Sie, weil es Ihnen gerade so vorkommt, als würden Sie den Kampf verlieren?«
    Der Commissaris gab keine Antwort. Er lauschte dem Regen, den dünnen Bächen, die über das Fensterglas rannen.
    Jacobszoon fuhr fort: »Wissen Sie, wenn wir einen großen Verlust erlitten haben, ist es fast unausweichlich, dass wir in die dunklen, unterirdischen Gänge geraten.«
    »Was für unterirdische Gänge?«
    »Die unterirdischen, dunklen Gänge, in denen wir dem Tod nahe sind«, sagte die hypnotische Samariterstimme weit draußen im Regen. »Wir können nichts dafür, es ist nicht unsere Schuld. Es gibt einfach vorgezeichnete Wege, die in diese Dunkelheit führen. Endless night , erinnern Sie sich? Wir spüren die Nähe

Weitere Kostenlose Bücher