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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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Durch den Regen konnte er das Meer sehen. Links von der Straße schäumte braune Gischt die Dünen hinauf und ließ einen fauligen Saum aus Seegras und Treibholz zurück. »Geht das nicht schneller?«, fragte er.
    »Ich hole doch schon alles raus«, gab Julika zurück.
    Van Leeuwen griff wieder nach seinem Handy, wählte die Nummer des Nachtdienstes. Sobald am anderen Ende abgehobenwurde, gab er seine Anweisungen durch: »Van Leeuwen hier. Ich brauche sofort ein Einsatzkommando auf Borneo Eiland, Scheeps-Timmermanstraat. Ich habe bereits einen Beamten vor Ort, Inspecteur Remco Vreeling. Es kann sein, dass wir stürmen müssen, aber niemand unternimmt etwas, bevor ich da bin. Alles klar?«
    »Seit wann weißt du, dass Van der Meer der Plastiktütenmörder ist?«, fragte Julika, nachdem er das Gespräch beendet hatte.
    »Er ist es nicht«, sagte Van Leeuwen.
    »Aber ich dachte …«
    »Er ist die eine Hälfte eines Mosaiks, das erst heute Abend angefangen hat, sich zusammenzusetzen«, erklärte Van Leeuwen. »Der Mann, der mich in der Parkgarage überfallen hat, war nicht Jacobszoon, wir sollten das nur denken. Anfangs habe ich es sogar selbst geglaubt. Erst als du mir erzählt hast, Van der Meer hätte heute Nacht gehumpelt, ist mir klar geworden, dass er es war, dass ich ihn bei dem Kampf verletzt hatte, und dann hat Ton mich angerufen und mir erzählt, was seine Recherchen ergeben haben.«
    Der Verkehr wurde dichter, als sie sich Amsterdam näherten, und Julika schaltete das Martinshorn ein und fuhr ihr Seitenfenster herunter, um das magnetische Blaulicht aufs Dach zu heften. Sie schaltete jetzt öfter, ihre Füße tanzten ein Ballett auf Kupplung und Gaspedal. »Aber warum hat er versucht, dich zu töten? Das ist doch völlig sinnlos …«
    »Nicht aus seiner Sicht.« Van Leeuwen beugte sich vor, um mit dem Ärmelsaum die beschlagene Innenseite der Scheibe frei zu wischen, als könnte er so das Mosaik besser erkennen. »Er ist nicht der Plastiktütenmörder, jedenfalls nicht der, den wir die ganze Zeit gesucht haben. Aber er wollte, dass es auf den Bändern der Überwachungskamera so aussieht, als wäre der Überfall dem Gesuchten zuzuschreiben. Er nahm an, wenn ich tot bin, haltet ihr Jacobszoon für meinen Mörder, weil ich euch genau das immer vorgebetet habe – Jacobszoon, Jacobszoon, Jacobszoon … Er wusste das; er weiß, wie ich denke. Dass Jacobszoon zur selben Zeit bei Muriel war, also ein Alibi hatte, hätte ja niemand mehr erfahren, weil er da schon plante, ihn ebenfalls umzubringen. Als der Überfall fehlgeschlagenist, wollte er ihm dann wenigstens noch schnell die Euthanasie an Muriel in die Schuhe schieben, bevor er ihn erledigt.«
    »Während wir alle gedacht hätten, der Mann, der dich überfallen hat, wäre ein Trittbrettfahrer«, warf Julika ein, »jemand, den du mal gefasst hast, der noch eine Rechnung mit dir offen hatte, von früher.«
    Der unruhige Himmel war jetzt nicht mehr schwarz, sondern grau, und die Wolken jagten dahin wie Furien in zerfetzten Lumpen, aus denen sie den Regen schüttelten.
    »Und im Moment«, fuhr Julika fort, »im Moment ist Van der Meer demnach unterwegs, um Jacobszoon zu töten, damit es so aussieht, als hätte der keinen anderen Ausweg mehr gesehen? Selbstmord, weil wir ihn eingekreist haben? Weil er doch der einzig wahre und durch und durch kussechte Plastiktütenmörder ist?« Sie schüttelte zweifelnd den Kopf. »Ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen, irgendwie um drei Ecken gedacht? Ich meine, wenn man das haarklein auseinanderklamüsert – was für einen Grund sollte er dafür haben?«
    »Angst«, sagte Van Leeuwen.
    »Angst wovor?« Sie bog in den Haarlemerweg, und unter der Brücke setzte sie, ohne zu blinken, zum Überholen an.
    »Dass Jacobszoon im Verhör die Wahrheit sagt«, erklärte Van Leeuwen. »Vergiss nicht, was Doktor Menardi uns erklärt hat: Jacobszoon fühlt nicht die geringste Schuld, er hat keinen Grund zu lügen, außer dem, dass er seine Aufgabe weiter erfüllen will – nur die Schuldigen wissen, was sie tun. Pass auf! «
    Ein roter Peugeot 504 auf der Gegenfahrbahn scherte aus der Spur, viel zu schnell, und das weiße Licht der Scheinwerfer barst auf der Windschutzscheibe. Julika riss das Steuer herum und trat die Bremse durch. Der Golf reagierte nicht, er rutschte über den nassen Asphalt, rutschte und drehte sich dabei, und Van Leeuwen dachte: Ein roter Peugeot 504, dass es die überhaupt noch gibt! Sein Handy fiel vom Sitz, der

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