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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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mich geschlagen, und ich bin hingefallen, und als ich versucht hab, wieder auf die Beine zu kommen, da hab ich ihn mit dem Fuß erwischt, und er ist gestürzt. Aber es hat ihm nichts gefehlt oder so. Er lag bloß da, mit seiner Aktentasche und allem, und ich bin weggegangen. Ehrlich.«
    »Wie spät war es da, ungefähr?«
    »So kurz vor Mitternacht …«
    »Dann warst du einer der Letzten, die Mijnheer Zuiker noch lebend gesehen haben.« Van Leeuwen klappte den Block zu und steckte ihn ein. »Was ich dich jetzt frage, dient nur der Vollständigkeit, ja? Es soll dir nichts unterstellen. Gehörst du zu einer Gang?«
    »Nein.«
    »Hast du was mit Drogen zu tun? Kokain, Heroin, Ecstasy, Shit …?«
    »Nein!« Die Empörung in Ruuds Stimme war ehrlich.
    »Okay, ich glaube dir. Wir sind auch fast fertig. Weißt du, wir brauchen einfach jede Hilfe, die wir kriegen können. Als du Mijnheer Zuiker Freitagnacht zum ersten Mal bemerkt hast, hinter dir, ist dir da noch jemand anderes aufgefallen?«
    »Da waren doch jede Menge Leute unterwegs …«
    »Dir ist niemand Besonderes aufgefallen?«
    »Nein.«
    »Und später, als er dir nachgegangen ist, auch nicht? Ein Mann vielleicht, mit einem durchsichtigen Regenmantel und einer Baseballkappe?«
    Ruud schüttelte den Kopf. »Mann, ich guck doch nicht nach Männern in Regenmänteln.«
    »Wonach guckst du dann?«, fragte der Commissaris.
    »Was? Wie… wonach? «
    »Was hast du um die Zeit, kurz vor Mitternacht, noch in de wallen zu suchen gehabt?«
    Eine jähe Röte stieg dem Jungen ins Gesicht. »Keine Ahnung, was Sie meinen.«
    »Interessierst du dich für Mädchen?«
    »Klar, ich meine, tut doch jeder, oder?« Ruud sah wieder zur Schule hinüber, jetzt beinahe sehnsüchtig. »Sind wir bald fertig? Ich muss wieder in die Stunde …«
    »Gleich«, antwortete van Leeuwen, »gleich … Nur eine Frage noch: Gibt es irgendetwas, das du mir sagen möchtest?«
    Der Junge presste die Lippen zusammen und schob die Hände in die Jackentaschen. Die Röte verblasste langsam wieder.
    »Wenn du etwas auf dem Herzen hast, egal, was, kannst du mit mir darüber reden.«
    »Was denn?«
    Der Commissaris tastete sich vorsichtig auf das neue Terrain vor. » Ich ersticke , hat er immer gesagt, Mijnheer Zuiker – immer wieder: Ich ersticke ! Vielleicht ist er erstickt an unausgelebten Neigungen oder daran, dass er nicht die Reaktion bekommen hat, die er haben wollte, von einem von euch, zum Beispiel.«
    Der Junge schwieg. Seine Augen waren jetzt schmal, und er wirkte verloren unter dem hohen blauen Himmel, inmitten der wirbelnden gelben Blätter auf dem rissigen Asphalt.
    »Verstehst du, worauf ich hinauswill? Dein Mathematiklehrer folgt dir ins Rotlichtviertel … Du hast ihn mitten auf dem Schulhof provoziert und weggestoßen, nachdem du einen Film über ihn gedreht hast, in einer kompromittierenden Situation bei sich zu Hause. Du hast gewissermaßen Gewalt ausgeübt über ihn, und jetzt geht er dir nach; es kommt wieder zu einer Konfrontation, bei der du ihn zu Boden stößt … Ich meine, das ist doch eine ganz einfache mathematische Gleichung, oder? Hat er vorher Gewalt gegen dich ausgeübt? War da etwas, worüber du mit niemandem sprechen kannst?«
    Ein Schauer schien den Jungen zu durchlaufen, und als er VanLeeuwen wieder ansah – mit einem aufmerksamen, aber seltsam ausdruckslosen Blick –, waren seine Augen nicht mehr schmal, sondern wieder so groß wie vorher. Ein junger Wolf, dachte der Commissaris; ein junger lauernder Wolf. Kurz flackerte ein Lächeln um Ruuds Mund wie ein Wetterleuchten – ein neues, lockendes Lächeln, das ein Aufreißer im Rotlichtviertel sofort zum Patent angemeldet hätte. Gleich danach war das Gesicht wieder leer: die Maske eines Jungen.
    »Wenn Sie den gekannt hätten«, Ruuds Stimme klang so abweisend, wie nur die Stimme eines Fünfzehnjährigen abweisend klingen konnte, »dann wüssten Sie, dass der sich nie etwas getraut hätte, ganz egal, was in dem vorging. Der war ganz harmlos. Nie hätte der sich an jemand rangemacht. Das meinten Sie doch, oder? Das war ein Schisser. Der hat ja nicht mal was unternommen, als es um seine eigene Frau ging, so feige war der. Wenn der an irgendwas erstickt ist, dann daran, dass seine Frau mit einem anderen gefickt hat!«
    »Zuikers Frau hatte ein Verhältnis?«, fragte der Commissaris.
    »Ein Verhältnis, genau. So was wie das Gegenteil von einer unausgelebten Neigung, nicht?«
    »Mit wem?«
    »Sie sind doch Polizist. Finden

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