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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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Fenstern des Verhörraums hinüber. Die Metalljalousien waren heruntergelassen, aber nicht geschlossen, und zwischen den Lamellen konnte man den tiefblauen Herbsthimmel sehen, sonst nichts. Dennoch blickte er weiter auf die Lamellen und den Himmel dahinter.
    Der Commissaris bemerkte: »Mijnheer Wu, als ich Sie vorgestern in Ihrer Wohnung bei Ihrer Verhaftung gefragt habe, welches Leiden Sie an den Rollstuhl fesselt, haben Sie gesagt: ›Das schrecklichste, das allerschrecklichste.‹ Erinnern sie sich noch? Was haben Sie damit gemeint?«
    Die Augen des Chinesen kehrten zu ihm zurück. Sie weiteten sich, aber seine Lippen wurden noch schmaler, und die kleinen Muskeln rings um seinen Mund zappelten unter der Haut wie winzige Fische.
    »Wollen Sie es nicht sagen, weil es noch schrecklicher wird, wenn man es ausspricht?«, hakte der Commissaris nach. »Oder können Sie es nicht sagen, weil dasselbe Leiden Sie auch am Reden hindert?«
    Die Lider über den schwarzen Pupillen flatterten, sanken herab, klappten wieder nach oben. Bedeutete das ja oder nein , oder hieß es gar nichts?
    »Sie erwähnten auch, Cousin Wu habe unerträgliche Schande über Sie gebracht«, fuhr der Commissaris fort. »Sie mussten Tag und Nacht an diese Schande denken, nicht? Tag und Nacht. Sie war so unerträglich, dass Sie nicht mehr schlafen konnten, weil die Gedanken Sie wach hielten. Sie drehten sich in Ihrem Kopf im Kreis, sie tickten wie eine Uhr, wie der Zünder einer Zeitbombe in Ihrem Kopf. Ist es nicht so? Und auch jetzt hören sie nicht auf, ruhelos im Kreis zu gehen … Aber woher kommen die Gedanken, woher kommt das Gefühl der Schmach, das Gefühl, dass man hinter Ihrem Rücken über Sie tuschelt?«
    Zheng Wu presste die Lippen jetzt so fest zusammen, dass der Mund gar nicht mehr zu sehen war.
    »Sie waren hier, und Ihr Cousin Jun Wu war in der Heimat, in China, in Fengdu«, überlegte der Commissaris halblaut. Es kam ihm vor, als starrte Zheng Wu ihn durch die Sonnenlichtstreifen wie aus einem Käfig an, und vielleicht war es auch so. »Und dort befand sich auch Ailing, Ihre junge, schöne Frau – beide in Fengdu, am Ufer des Yangtse, in dessen mächtigem Bett Träume und Hoffnungen, Lügen und Wahrheit einträchtig dem Meer zuflossen. Haben die Wellen des Ozeans Ihnen davon berichtet? Oder war es, etwas profaner, ein Brief? Hat Ailing Sie angerufen und Ihnen von der Schande erzählt, von dem Allerschrecklichsten, nämlich davon, was zwischen ihr und dem jungen Cousin Wu …«
    »Nichts!«, rief Zheng Wu, bebend vor Zorn. »Nichts ist vorgefallen, gar nichts!«
    »Warum haben Sie ihn dann umgebracht?«, hakte der Commissaris nach. »Warum musste er sterben, nachdem er noch nicht einmal einen Tag hier war?«
    » Warum, warum, warum! « Kleine Speicheltröpfchen sprühten von den Lippen des Chinesen. Er schien in seinem Rollstuhl zu schrumpfen, als wäre ihm jeglicher innerer Halt abhandengekommen. »Ich muss Ihnen nicht sagen, warum! Sie haben Geständnis! Sie haben Leiche! Was wollen noch mehr? Warum ist Geheimnis und wird immer bleiben!«
    »Sie irren sich, Mijnheer Wu«, widersprach der Commissaris. »Nichts bleibt für immer ein Geheimnis, alles kommt irgendwann ans Tageslicht. Ich bin ein mächtiger Mann, der über viele andere Männer gebietet, und diese Männer werde ich ausschicken, damit sie jeden Ihrer Landsleute, jede Frau und jedes Kind in Chinatown über Zheng Wu befragen, und falls sie mir nicht die Nachrichten bringen, die ich hören möchte, werde ich sie noch weiter aussenden – wenn es sein muss bis nach China, bis nach Fengdu im Yangtse-Tal. Viel mehr verspreche ich mir allerdings hiervon!« Er griff in die Innentasche seines Trenchcoats, der auf dem Stuhl neben ihm über der Lehne hing, und holte ein zerknittertes Blatt Papier hervor.Das Blatt war auf beiden Seiten eng mit handgeschriebenen chinesischen Schriftzeichen bedeckt, und als er es auseinandergefaltet hatte, wedelte er damit in der Luft herum. »Dieser Brief nämlich gehört zu einem ganzen Dutzend, das die Spurensicherung in Luftpostkuverts in Ihrer Wohnung gefunden hat, und ich glaube fest daran, dass sie alles enthalten, was ich wissen möchte, wenn sie erst mal von unserem Dolmetscher übersetzt worden sind. Wissen Sie«, fügte er nicht ohne Bitterkeit hinzu, »ich glaube an die Wahrheit, die sich in Briefen findet.«
    Zheng Wu schloss die Augen. Jetzt, ohne das dunkle Leuchten der Pupillen, konnte man erkennen, dass er viel älter war, als es den

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