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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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bekommen würde. »Nein, niemand.« Der Turnlehrer ließ den Ball mit beiden Händen auf den Boden klatschen und fing ihn wieder auf. »Ich war allein.«
    »Gerrits Frau hat mir erzählt, dass er oft nächtelang telefoniert hat – waren Sie das, mit dem er telefoniert hat?«
    »Nein.«
    »Wissen Sie, mit wem er da nachts telefoniert haben könnte?«
    »Nein.« Hoekstra schmetterte den Ball wieder auf den Boden und blickte zu den Schülern hinüber, die im Umkleideraum verschwanden. »Eine andere Frau vielleicht?« Er fing den Ball auf, ohne hinzusehen. »Vielleicht hatte er jemand gefunden, der ihm helfen konnte, wenn es ihm so ging, so schlecht, meine ich … Ich konnte es nicht, und Margriet konnte es auch nicht mehr …« Jetzt sah er Van Leeuwen wieder an, gespannt und betrübt. »Wie ich schon sagte, es musste so kommen. Er kam nicht klar mit dieser Welt. Ich glaube, er wollte nicht mehr.«
    »Er ist aber nicht einfach gestorben«, entgegnete van Leeuwen, »und er hat sich auch nicht selbst umgebracht. Er ist ermordet worden.«

12
    Von Weitem wirkte Ruud Meijer klein, fast schmächtig, als er durch einen Schwarm wirbelnder gelber Ahornblätter über den Schulhof auf den Commissaris zuschlenderte. Er ließ sich Zeit, und während er ging, starrte er auf einen Gameboy, den er in der Hand hielt. Er trug eine Jeansjacke, ein rotes Flanellhemd mit dunklen Streifen, schwarze Turnschuhe, die Schnürsenkel nicht zugeknotet, und eine ausgebeulte Cargohose, die so tief unter seinen Hüften hing, dassman zwischen Hose und Hemdschößen den Gummizug seiner karierten Boxershorts über der bloßen Haut sehen konnte.
    Auch von Nahem war er nur mittelgroß, doch seine Schultern wirkten gut entwickelt, der Körper schlank und drahtig. Sein Haar – schwarz, an den Schläfen und im Nacken sehr kurz geschnitten – war größtenteils unter einer schwarzen Kangolkappe verborgen, der Schirm nach hinten gedreht. Er hatte eine winzige Nase und einen schmalen, knospenförmigen Mund. Die Augen waren dunkelbraun und so groß, dass sie Ruuds ganzes Gesicht einzunehmen schienen wie das einer Zeichentrickfigur in einem japanischen Animefilm.
    Als er Van Leeuwen erreicht hatte, hob er den Blick nur so kurz wie eben möglich von dem Gameboy. »Hey«, murmelte er. Seine Augen glänzten wie frisch geblasenes Glas.
    »Hey, mein Name ist Bruno van Leeuwen, ich bin von der Polizei. Bist du Ruud Meijer?«
    »Ja«, bestätigte der Junge, ohne noch einmal aufzusehen. Seine ganze Aufmerksamkeit galt den bunten Figuren, die sich ruckend über den Bildschirm seines Gameboys bewegten.
    Der Commissaris holte einen Notizblock mit hellgelben Blättern aus der Brusttasche seines Mantels. »Wie alt bist du?«
    »Fünfzehn.«
    »Gut, Ruud Meijer, ich habe einige Fragen, die ich dir stellen muss. Die meisten sind ziemlich langweilig, aber ich muss sie trotzdem abhaken, nur der Vollständigkeit halber. Wahrscheinlich sind wir schnell fertig. Zuerst brauche ich deine Adresse, die Namen deiner Eltern und deine Telefonnummer, zu Hause und mobil.«
    Der Junge nickte wieder. »Okay.«
    »Könntest du mich ansehen, während ich mit dir spreche?«
    Der Junge blickte unwillig auf, jetzt wachsam.
    »Was schaust du dir auf dem Ding da an?«
    »Ein game .«
    »Was für ein game? «
    » Hitman 2. «
    »Und wovon handelt Hitman 2 ?«
    »Wie man ein professioneller Killer wird.«
    »Und das möchtest du werden? Professioneller Killer?«
    Ruud zuckte mit den Schultern. »Ist doch besser, als Stütze zu kassieren.« Seine Stimme war monoton wie die eines Jungen in einem Videospiel.
    »Weißt du, warum ich hier bin, Ruud?«
    Der Junge zuckte wieder mit den Schultern.
    Der Commissaris sagte: »Es geht um einen eurer Lehrer, Mijnheer Zuiker. Er ist Freitagnacht getötet worden.«
    Der Junge blinzelte überrascht, dann suchte er Hilfe bei dem Bildschirm seines Gameboys, als könnte er zu viel Realität auf Dauer nicht ertragen.
    »Willst du wissen, wie es passiert ist?«
    »Klar – ich meine, wenn Sie’s mir erzählen dürfen.«
    »Ich darf alles, was ich für nötig halte, um einen Mord aufzuklären«, erwiderte Van Leeuwen. »Es war auf den Wallen .«
    Der Junge sog die Unterlippe unter die Schneidezähne. Er stand so still, dass man denken konnte, er hätte sogar aufgehört zu atmen.
    »Sieh mich an«, forderte der Commissaris. »Mach das Ding aus, und sieh mich an.«
    Der Junge gehorchte. Eine Gänsehaut überzog seine Unterarme und kroch den Hals herauf. Die Augen waren

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