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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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lange mit einer Freundin telefonierte. Weil sie den Wagen falsch geparkt hatte, weil sie sich nicht sofort auszog, wenn er mit ihr …«
    »War er Alkoholiker?«, fragte Julika. »War er betrunken, wenn er das gemacht hat?«
    »Darum geht es jetzt nicht«, warf der Commissaris ein.
    »Doch, darum geht es«, widersprach Julika, und als er sich zu ihr umdrehte, sah er die Veränderung, die mit ihr vorgegangen war. Sie schien plötzlich durchscheinend geworden zu sein, und er sah die alte Julika in der neuen, die Punkerin mit der Lederjacke, den Ketten, Eisendornen und Noppen; die Frau mit den korallenroten Stachelhaaren und dem blassen Gesicht, die nicht wusste, wohin mit ihrem Zorn und ihrer Verletzlichkeit. Die innerlich zitterte.
    »Ich weiß nicht, ob er Alkoholiker war«, sagte Verhoeven. »Vielleicht. Ich weiß es nicht.«
    »Aber warum hat sie sich das alles gefallen lassen?«, beharrte Julika.
    Der junge Mann senkte den Kopf und fuhr sich mit einer ölverschmierten Hand durch das spröde Haar. »Weil er ja auch eineandere Seite hatte, sagte sie – eine fleißige, eine großzügige. Er arbeitete hart, weil er selbst da wegwollte, von den Clubs und Striplokalen und den Leuten, die ihn rumschubsten. Und wenn er was auf der Hand hatte, dann lud er sie ein und machte ihr Geschenke, teure Unterwäsche aus Seide, Schmuck, einmal sogar ein Pony. Und dann dachte sie – dann hoffte sie, dass er so bleibt, dass vielleicht irgendwann alles anders würde. Dass er sich ändert und dass sie dann glücklich sein könnten, sogar sie, irgendwann in der Zukunft. Sie dachte, wenn sie alles aushält und keinen Mucks von sich gibt, dass das doch genügen muss, um das Glück herbeizuzwingen.
    Sie ist ja auch oft weggelaufen, nicht bloß ein Mal, nein, Dutzende Male. Aber sie ist immer freiwillig zurückgekommen, nur zwei Mal musste er sie mit der Polizei holen lassen – ja, die Polizei hat sie für ihn wiedergeholt. Sie hat sich schlagen lassen und dachte immer, diesmal ist es das letzte Mal. Aber es war nie das letzte Mal. Er schlug sie, danach lag sie blutend auf dem Bett im Schlafzimmer, bei zugezogenen Vorhängen, und er saß im dunklen Wohnzimmer und trank, ja, Sie haben recht, er trank die ganze Zeit, nur beim Schein der Musicbox. Er schüttete Genever und Bier in sich hinein, ließ sich volllaufen und hörte alte Schlager, und wenn nichts mehr reinging in ihn, kam er zu ihr … Aber im Grunde …«, der junge Mann nahm die Brille ab, und jetzt glänzten seine Augen, als er sich die Tränen abwischte, »im Grunde hat sie es sich ja gar nicht gefallen lassen. Sie ist ja krank geworden. Und das Komische ist, als die Krankheit immer schlimmer wurde, wuchs auch ihr Mut. Sie hat ihn endlich doch verlassen, für immer.«
    Van Leeuwen dachte, dass für immer manchmal sehr kurz sein konnte und dass, andererseits, wahrscheinlich jeder Tag dieser Ehe davor wie eine Ewigkeit gewesen war. Dann dachte er: Wir müssen jetzt zum eigentlichen Zweck der Befragung kommen . »Wann hat sie sich an Doktor van der Meer gewandt?«, fragte er. »Als sie wusste, dass sie sterben musste?«
    »Van der Meer!« Verhoeven verzog die Lippen, als hätte er in eine Zitrone gebissen. »Ihre Schmerzen waren so unerträglich, und er hat sich geweigert, ihr zu helfen. Er hat sie untersucht, hat siesogar seinem medizinischen Komitee vorgestellt, und dann sagte er, er könnte nichts mehr für sie tun … Aber eine gesalzene Rechnung, die konnte er ihr schon noch schicken, ganz schnell, bevor sie …«
    »Was für eine Art Hilfe wollte sie denn von Van der Meer?«
    »Sie wollte sterben.«
    »Und Sie?«, fragte Gallo nach. »Wollten Sie ihr nicht helfen?«
    »Ich wollte«, bekannte Verhoeven leise, »aber ich konnte nicht.« Er setzte die Brille wieder auf. »Ich habe daran gedacht … ich hätte ihr so gern geholfen …«
    »Wo waren Sie am Freitagmorgen zwischen sieben und neun Uhr?«, wollte Gallo wissen.
    »Hier, das habe ich doch schon der Polizei in Haarlem gesagt. Ich hatte die Frühschicht.«
    »Was für eine Schuhgröße haben Sie?«
    »Zweiundvierzig – warum?«
    »Besitzen Sie Gummistiefel der Größe dreiundvierzig?«
    »Nein. Heleen besaß ein Paar Gummistiefel, die brauchte sie bei der Arbeit, aber sie hatte Größe neununddreißig. Trug ihr Mörder solche Stiefel? Ich sage Ihnen doch, es war ihr Mann, der hat sie umgebracht!«
    Der Commissaris dachte, Alex Carlsen hätte keine Plastiktüte benutzt; er hätte sie erschlagen oder erwürgt. »Wissen

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