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Totenfeuer

Totenfeuer

Titel: Totenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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immer wieder interessant, eine Geschichte aus verschiedenen Perspektiven zu hören, erkennt Völxen. Dass im Gesangverein aus dem Vorfall ein Wildererdrama von ganghoferschem Ausmaß gemacht wurde, ist wieder einmal typisch.
    »Mochten Sie Felk?«, fragt Völxen ohne Umschweife.
    »Es ging so. Wir kamen gut zurecht. Im Grunde war er ein harmloser Spinner.«
    »Wieso Spinner?«
    »Einmal hat er im Revier eines seiner Seminare abgehalten. Keine Ahnung, wie das hieß, aber jedenfalls ist er mit einem Dutzend Leuten in den Wald gegangen und hat sie unter anderem Bäume umarmen lassen. Ich habe ihn dann gebeten, diesen Ringelpiez in Zukunft in der Eilenriede oder sonstwo zu veranstalten, jedenfalls nicht in meinem Revier. Er hat sich daran gehalten.«
    Völxen muss verstohlen grinsen, als er sich die Szene vorstellt. Er lässt sich die Schusswaffen zeigen und wird dazu in eine ansehnliche Bibliothek geführt. Regale aus dunklem Holz reichen bis unter die Decke, ein antiker Schreibtisch steht vor dem Fenster. Gut, dass Sabine das nicht sieht, denkt Völxen erneut. Ein Sofa mit geschwungener Lehne und ein Kamin runden das Ambiente ab, das obligate Bärenfell davor wird ersetzt durch eine gepolsterte Matte, auf der eine gefleckte Jagdhündin döst und nur durch kurzes Klopfen mit dem Schwanz signalisiert, dass sie das Eintreten ihres Herrn registriert hat. Der Besucher scheint sie nicht zu interessieren.
    Bis auf ein ausladendes Hirschgeweih über dem Kamin befinden sich keinerlei Jagdtrophäen in dem Zimmer, was Völxen dem Hausherrn hoch anrechnet. Der Waffenschrank steht dezent in einer Ecke. Laut Auskunft des Besitzers sind alle Waffen vollzählig an ihrem Platz. Es riecht auffällig nach Ballistol , und tatsächlich sind alle vier Langwaffen frisch gereinigt, auch die Schrotflinte. »Das mache ich immer sofort.« Wie es das Gesetz vorschreibt, ist die Munition getrennt von den Waffen, in einem abschließbaren Seitenfach des Schreibtischs, aufbewahrt. Die Schlüssel zu Waffen und Munition holt der Jäger allerdings aus der Schublade desselben Möbels.
    »Geht sonst noch jemand aus Ihrer Familie zur Jagd?«
    »Meine Frau hat einen Jagdschein, aber sie geht schon seit Jahren nicht mehr raus, genauer gesagt, seit wir die Pferde haben. Sie kommt höchstens mal mit auf eine Treibjagd. Und mein Sohn verabscheut alles, was mit der Jagd zu tun hat. Seit einem Jahr ist er sogar Vegetarier.« Lammers lächelt nachsichtig und zuckt die Achseln. »Jugendliche Rebellion und Abgrenzung, Sie verstehen?«
    Völxen nickt. »Oh ja.« Dann möchte er wissen, wer denn außer Lammers und Gutensohn noch in dem gemeinsamen Revier jagen darf.
    »Das sind die Brüder Felk, wobei Ernst Felk die letzten Jahre nur noch selten rausging, und seit zwei Jahren der Kolbe, der Schreiner. Darüber war ich ja erst nicht so begeistert, der hat den Karl-Heinz irgendwie weichgeklopft. Entweder er hat ihm günstig das Holz fürs neue Dach geliefert oder ein paar Versicherungen bei ihm abgeschlossen, was weiß ich?«
    »Warum waren Sie gegen Kolbe?«
    »Es ist nichts Persönliches. Ich dachte nur, für so ein kleines Revier sind wir genug Leute. Torsten Gutensohn kommt ja auch noch dazu, wenn er nächstes Jahr achtzehn wird. Aber der Kolbe hat sich nützlich gemacht, das muss ich schon sagen. Wir haben jetzt lauter erstklassige Hochsitze und Kanzeln, das hat sich letztendlich doch gelohnt. Sein Sohn will jetzt auch die Jägerprüfung machen.«
    Kolbe soll lieber mal zusehen, dass er endlich die Bretter für meinen Zaun ranschafft, grollt Völxen im Stillen, während Wigbert Lammers grinst und meint: »Ja, so ist das auf dem Land, aber das kennen Sie ja sicher, Herr Kommissar: Eine Hand wäscht die andere.«
    Völxen verabschiedet sich, und Wigbert Lammers bringt ihn zur Tür. Die Hündin ist aufgestanden und folgt ihnen, sie scheint schon recht alt zu sein, so steifbeinig, wie sie sich fortbewegt.
    Der letzte Satz von Lammers geht Völxen noch im Kopf herum, er deutet in Richtung Koppel und fragt: »Stammen die zufällig von Felks Gestüt?«
    Lammers bleckt sein tadellos gepflegtes Pferdegebiss und wiehert vor Lachen. »Du lieber Himmel, schön wär’s! Felks Gestüt gehört zu den Top Ten in Niedersachsen, seine Hannoveraner gehen zu den Saudis und nach Abu Dhabi und Gott weiß wohin. Die Scheichs zahlen verrückte Preise. Vor ein paar Jahren, hat man sich erzählt, hat ein Deckhengst eine halbe Million Euro eingebracht. Da kann unsereins nicht

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