Totenfeuer
geht das Mobilteil des Telefons suchen.
»Dieser Klausner ist völlig durchgeknallt«, erzählt Oda in der Zwischenzeit und schildert ihrem Chef die Lebensumstände des Bankers. »Aber ich bezweifle, dass der Felk umbringen würde. Der wollte ihn quälen, nicht töten. Ich habe aber trotzdem eine Untersuchung seines Wagens veranlasst.«
»Gut so.«
Sabine kommt wenig später zurück und erstattet Bericht: »Also: Frau Lammers heißt mit Vornamen Friederike, das sagt aber kein Mensch zu ihr, sie wird nur Rike genannt. Frau Kolbe heißt Josephine, was im Bayerischen, wo sie herkommt, gerne einmal mit Finni abgekürzt wird. Hier nennt man sie allerdings bei ihrem vollen Namen oder Josy. Und die geschiedene Frau Gutensohn heißt …«, Sabine legt eine Kunstpause ein, »… Fiona.«
Völxen lässt die Faust auf den Tisch knallen, dass die Tassen klirren. »Das kann doch nicht wahr sein! Kann nicht wenigstens eine von denen Martina heißen oder Thusnelda?«
»Und das steht alles in euren Telefonbüchern?«, wundert sich Oda.
»Ja. Wir haben ganz spezielle.« Lächelnd fährt Sabine Völxen fort: »Bodo, du solltest nachher noch rüber zu Köpcke. Die Dame des Hauses hat Andeutungen gemacht, dass ihr Mann etwas wüsste, das hilfreich sein könnte.«
»Och, muss das sein? Konnte sie das nicht dir erzählen?«
»Du musst doch sowieso noch zu ihr, wegen deines Schafbocks«, hält Sabine dagegen. »Am besten, du bewegst dich auf Knien rüber.«
»Was hat er denn schon wieder angestellt?«, will Oda neugierig wissen.
»Nichts, gar nichts«, wiegelt Völxen ab.
»Hättest du ihn doch kastrieren lassen! Das soll ausgleichend auf die Psyche wirken«, grinst Oda und fragt dann: »Warum arbeitet deine Frau eigentlich nicht immer für uns?«
»Das tut sie doch«, seufzt der Kommissar und grantelt seine Frau an: »Ich wusste gar nicht, dass du so eine Klatschbase bist.«
»Ich bin keine Klatschbase, ich kenne nur ein paar«, versetzt Sabine. »Und da ist noch eine Sache: Ich habe heute mit unserem Herrn Pfarrer gesprochen. Der kannte den alten Heiner Felk ganz gut. Er sagt, er habe ihn kurz vor Ostern im Altenheim in Waldhausen besucht, und der alte Herr sei putzmunter gewesen.«
»Ja und?«, fragt Völxen.
»Er hat sich jedenfalls sehr über seinen Tod gewundert.«
»Jetzt macht hier bloß kein Fass auf, du und dein Pfarrer«, wehrt Völxen ab. »Der Mann war neunzig. Da kann so was schnell passieren.«
»Ich sag’s ja nur«, sagt Sabine.
Veronikas Freund Jo heißt mit vollem Namen Johannes Winter und wohnt in der Nordstadt. Der Proberaum der Band Chorprobe befindet sich jedoch fast in Fernandos Nachbarschaft, nämlich auf dem Faust-Gelände, einer zum Kulturzentrum umfunktionierten ehemaligen Bettfedernfabrik, die Fernando nicht nur als Bewohner Lindens bestens kennt, sondern auch in seiner früheren Funktion als Beamter des Drogendezernats. Er hat Glück, die Band probt heute Abend, und Fernando muss nicht allzu lange zwischen Backsteinmauern und Graffiti herumlungern und warten, bis die Probe zu Ende ist. In der Abenddämmerung verschwinden die Musiker in verschiedene Richtungen. Jo überquert die Grünfläche, die sich hinter dem Faust-Gelände zur Ihme hin ausdehnt. Fernando folgt ihm. Bei schönem Wetter ist dies Grillplatz und Spielwiese für halb Linden, aber da es heute immer wieder geregnet hat, ist nur eine Gruppe Punks mit ihren Hunden zugegen. Offenbar hat Jo die Absicht, den Stadtteil Linden-Nord zu Fuß über die Dornröschenbrücke in Richtung Nordstadt zu verlassen. Auf dieser Brücke, fällt Fernando ein, hat er zum ersten Mal ein Mädchen geküsst: Birgit aus der 7 b, blond, sommersprossig und nach Hubba-Bubba -Kaugummi duftend. Außerdem tobt dort jeden Sommer die legendäre Gemüseschlacht zwischen Linden und der Nordstadt. Fernando holt Jo kurz vor der Brücke ein und zückt seinen Dienstausweis: »Kripo Hannover. Die Papiere bitte.«
»Hä? Wieso denn?«
»Die Papiere, aber rasch«, wiederholt Fernando unfreundlich. Jo greift in seine Brieftasche. Johannes Winter, Jahrgang 1987, wohnt am Engelbosteler Damm.
»Was gibt’s denn?« Verdammt! Wie aus dem Nichts aufgetaucht, steht Jos Kumpel mit seinem Fahrrad neben ihnen. Beide Kerle sind einen halben Kopf größer als Fernando, mindestens.
»Mach, dass du weiterkommst«, sagt Fernando zu dem anderen. »Ich bin von der Mordkommission und habe ein paar Fragen an deinen Freund.« Auch wenn ihre Abteilung genau genommen nicht »Mordkommission«
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