Totenflut
ihnen die Tür geöffnet. Er führte sie ins Wohnzimmer, und Frau Brender kam durch die Terrassentür herein. Sie wohnten in einem kleinen Reihenhaus in der Nähe der englischen Kasernen. Das Haus machte einen gepflegten, aber etwas sterilen Eindruck. Alles war dekoriert wie in einem Möbelhaus. Schröder fand, dass ein wenig Leben fehlte. Alles war so systematisch hergerichtet. Eine Wohnung sagte viel über ihre Besitzer aus. Hier hatte Schröder das Gefühl, nichts über die Menschen in diesem Haus erfahren zu können.
Frau Brender zog ihre Gartenhandschuhe aus, machte aber keine Anstalten, ihnen die Hand zu geben.
»Kriminalpolizei? Ich bin etwas irritiert«, sagte sie.
»Vielleicht können wir uns setzen? Es geht um Ihren Sohn.«, sagte Schröder, und dieser Satz schlug ein wie eine Bombe. Frau Brenders Gesicht verfinsterte sich augenblicklich. Sie spürte den Blick ihres Lebensgefährten in ihrem Rücken. Herr Traber hatte nicht gewusst, dass sie einen Sohn hat.
Frau Brender schloss die Terrassentür. DrauÃen stand ein Blumenkübel, der halb mit Primeln bepflanzt war. Die restlichen Blumen lagen noch daneben.
»Setzen Sie sich doch!«, sagte Herr Traber und bot ihnen einen Platz auf zwei Sesseln an. Er setzte sich auf die Couch, und Frau Brender gesellte sich zu ihm, aber so, dass ihre Körper sich nicht berührten. Ihr war es unangenehm, dass er bei dem Gespräch dabei war. Sie versteifte sich, als spürte sie eine Spinne ihren Rücken hochkrabbeln.
»Frau Brender, ich weiÃ, dass das jetzt ein Schock für Sie sein muss, aber wir vermuten, dass Ihr Sohn mehrere Morde begangen hat.«, fing Schröder an.
Herr Traber war entsetzt. Frau Brender erstarrte zu Stein. Nur in ihren Augen war noch Bewegung. Sie glänzten wässrig.
»Ihr Mann, Ihr Exmann, hat Kontakt zu uns aufgenommen, weil er befürchtete, dass Ihr Sohn für die Morde in Frage käme. Vielleicht haben Sie es in der Presse verfolgt, dass wir dabei sind, eine Serie von Morden aufzuklären, die sich hier und in anderen Teilen Deutschlands ereignet hat.
Einen Mann konnten wir im Zuge unserer Ermittlungen bereits festnehmen. Es ist jedoch so, dass er einen Komplizen gehabt haben muss. Und eben dieser Mann ist mit groÃer Wahrscheinlichkeit Ihr Sohn Axel Brender. Es tut mir leid, Ihnen das so schonungslos sagen zu müssen.«
Schröder und Elin warteten auf eine Reaktion, doch das Einzige, was sie sahen, war eine wachsende ängstliche Ungeduld bei Herrn Traber. Er hielt es offensichtlich kaum noch aus in seiner Haut.
»Frau Brender, haben Sie verstanden, was ich gesagt habe?«, fragte Elin.
»Sicher!«, sagte sie mit spitzer Stimme. Sie hatte ihre Lippen so fest zusammengepresst, dass sich kleine Falten um ihren Mund herum bildeten. Sie sahen aus wie kleine Nadelstiche, wie ein zugenähter Mund.
»Frau Brender, wir brauchen jetzt Ihre Hilfe, um Ihren Sohn ausfindig zu machen. Ich bin Polizeipsychologin und habe ein psychologisches Profil Ihres Sohnes erstellt. Doch um ihn noch besser verstehen zu können, brauchen wir Informationen, die nur Sie uns geben können. Wie es aussieht, hat Ihr Sohn eine ganz besondere Bindung zu Ihnen. Frau Brender, haben Sie einmal in Remscheid gelebt?«
Sie antwortete nicht. Herr Traber sah seine Partnerin an, als sei sie eine Fremde, und er wusste nicht, wie sie hierher in dieses Haus und an seine Seite geraten war. Diese Frau kannte er nicht. Er stand auf und verlieà den Raum. Frau Brender schien das wenig zu beeindrucken. Erst als er drauÃen war, nickte sie, um Elins Frage zu beantworten.
»Das dachte ich mir. Ich vermute, dass Ihr Sohn Ihnen über Jahre gefolgt ist. Wir überprüfen das gerade noch, aber ich denke, dass überall, wo Sie gewohnt haben, auch er hingezogen ist. Wussten Sie das? Haben Sie ihn in letzter Zeit gesehen?«
Sie schüttelte den Kopf und blickte auf ihre Hände.
»Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«, fragte Elin.
Sie antwortete nicht. Ihre Stirn glänzte wie Granit.
»Wir verstehen, dass das alles zu viel für Sie sein muss. Doch wir haben nicht viel Zeit. Er wird wieder töten. Und wir müssen Ihnen ein paar unbequeme und sehr private Fragen stellen.
Frau Brender, Ihr Exmann sagte uns, dass er glaube, dass Sie Ihren Sohn nicht geliebt haben oder nicht lieben konnten. Er denkt, dass zwischen Ihnen etwas vorgefallen ist. Etwas,
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