Totengeld (German Edition)
zurecht. In Übersee einkaufen, in den Staaten fürs Zehnfache verkaufen. Plunder für dieAhnungslosen.«
»Bekommt Mr. R ockett denn keine Militär- undVersehrtenrente?«
»Natürlich.Aber sein Importgeschäft bringt ihm einen hübschen Zuschuss.«
»Aber die Mumienbündel kamen aus Peru.«
»Irgendwann verlegte Mr. R ockett seinAugenmerk auf Südamerika.«
» Warum?«
»Geografische Nähe? Leichtere Durchführbarkeit? Persönliche Sicherheit?« Ich hörte Stoff rascheln, vielleicht makellos bekleidete Schultern beimAchselzucken. »Das kann ich wirklich nicht beurteilen.«
»Amerikaner sind heutzutage im Nahen Osten nicht mehr sehr beliebt.«
»Aufstände, R evolutionen, Bürgerkriege, Entführungen. Politische Instabilität hat immer negativeAuswirkungen auf geschäftliche Unternehmungen.Vielleicht hat derAufruhr im Nahen Osten Südamerika attraktiver gemacht.«
»Darf ich Sie was fragen?« Beiläufig, als wäre mir dieser Gedanke eben erst gekommen. »Ich habe hier ein Mädchen, vierzehn bis fünfzehn Jahre alt, möglicherweise Latina, möglicherweise illegal. Sie wurde gestern Nacht bei einem Unfall mit Fahrerflucht auf der Old Pineville R oad getötet.Wir haben Schwierigkeiten, sie zu identifizieren.«
» R eden Sie weiter.«
»Sie hatte eine pinkfarbene Kätzchentasche und eine ebensolche Haarspange und trug einen kurzen Jeansrock, eine rote Bluse und bestickte Stiefel.«
»Klingt wie irgendeinTeenager.Wie kommen Sie darauf, dass sie illegal sein könnte?«
»Sie hatte in ihrer Handtasche einen Zettel über Englischkurse an einer örtlichen katholischen Kirche. Die Notiz war auf Spanisch, und diese Pfarrei hält auch Messen in Spanisch ab. Das und dieTatsache, dass sie keinerleiAusweise und keine Schlüssel hatte, bringt den Chefermittler zu derVermutung, dass sie Latina sein könnte.«
»Tut mir leid, aber ich beschäftige mich mitArtefakten, nicht mit Menschen. Meine Spezialgebiete sind die illegale Einfuhr undVerbreitung kulturellen Eigentums und der illegale Handel mit Kunstwerken.Außerdem wäre, wenn der illegale Status des Mädchens nicht eindeutig festgestellt ist, das ICE gar nicht zuständig.«
»Haben Sie einen Kollegen, den ich fragen könnte?«
»Ich würde Ihnen helfen, wenn ich könnte.Aber solange Sie nicht wissen, ob Ihr Opfer wirklich illegal … Und auch dann …« Dew klang abgelenkt. »Es ist ja nicht so, dass wir eine Liste mit allen Personen haben, die das Land illegal betreten. Eher im Gegenteil.Tut mir leid.«
»Natürlich.«
» Wann können Sie Ihre Untersuchung der Mumienbündel abgeschlossen haben?«
»Bald.«
»Bitte halten Sie mich auf dem Laufenden.«
»Das werde ich tun. Und vielen Dank für Ihre Zeit, Special Agent Dew.«
Meine Finger zögerten über dem aufgelegten Hörer.
Und meine Nerven vibrierten vor Frustration.
Dew war eine Sackgasse. Slidell hatte sich auf eineTheorie versteift.
Zeit für den Feierabend. Nach einem so lausigenTag.
Wieder dieser nagende Gedanke. Hatte ich etwas übersehen?
Ohne eine bewusste Entscheidung zu treffen, ging ich zum Kühlraum. In der Stille quietschten meine Gummisohlen leise. Kalte Luft drang heraus, als ich die schwere Stahltür öffnete, und hüllte mich mit dem Geruch gefrorenen Fleisches ein. Ich schaltete das Licht an.
Sechs R ollbahren standen an denWänden, drei davon mit gefüllten Leichensäcken. Ich schaute auf die Etiketten, bis ich das mit der Beschriftung MCME 580-13. Unbekannt gefunden hatte.
Ich war froh, dass keinVerwandter diese kalte Gruft je sah. Keine Mutter sah je ihr Kind steif von der Kälte. Kein Ehemann sah je seine Frau mit Ziffern und Buchstaben beschriftet.
Ich schluckte. Zog den R eißverschluss von MCME 580-13 halb auf.
Die Haare des Mädchens lagen auf seiner Stirn wieAlgen, gelblich und verknäuelt. Das passte irgendwie nicht zu ihrer olivfarbenen Haut und den dunklenWimpern und Brauen. Ich schaute mir die Haarwurzeln genauer an. Und bemerkte einen halben Zentimeter Schwarz an ihrer Kopfhaut.
Die Haare des Mädchens waren gebleicht. Könnte Slidell recht haben?
Aus einem R eflex heraus wischte ich dem Mädchen lose Strähnen aus dem Gesicht. Die pinkfarbene Haarspange löste sich und fiel seitlich am Kopf herunter.
Ein Bild blitzte auf. Katy, blonde Zöpfe, Plastikspangen, die die widerspenstigen Locken zusammenhielten.
Ich hob den einzigen Besitz des Mädchens auf und steckte ihn ihr wieder an den Kopf. Meine Hand zögerte wie eben noch über demTelefon.
»Ich gebe dir
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