Totengeld (German Edition)
Begrüßung.
Ich wiederholte, was ich Josie Cromwell gesagt hatte, wobei ich noch einige Details über denTodeszeitpunkt und den Fundort anfügte.
» Was wollen Sie?«
»Können Sie das Foto und einen kurzenArtikel bringen?Vielleicht scheucht das einen Zeugen auf oder jemanden, der sie kannte.«
»Moment mal.«
Ich wartete. Die unverständlichenWortfetzen vom anderen Ende der Leitung klangen wie Geplapper aus einer anderen Galaxie. In weniger als fünf Minuten war Stallings wieder da.
»Tut mir leid. Mein Chefredakteur sagt, noch nicht.Wenn Ihr Mädchen am Ende derWoche noch immer eine Unbekannte ist, denkt er noch einmal darüber nach.Aber nicht für dieTitelseite.«
»Danke. Ich weiß das zu schätzen.«
Wir verabschiedeten uns und legten auf.
Okay. Die Hunde.
Während ich in Jeans, Bluse und Ballerinas schlüpfte, schickte mein Hirn mir ein Bild von Slidell, wie er verächtlich über Latinos und Nutten redete.
Hatte er recht?
War sie illegal?
Was wirst du tun?
Ich rannte nach unten und mailte das Foto des Mädchens auch an Luther Dew vom ICE . Noch ein Schuss ins Blaue, konnte ja aber nicht schaden.
EinenAugenblick saß ich da und dachte nach. Über Slidell und seine vermisste, alleinerziehende Mutter. Über meinTelefongespräch mit Luther Dew.
Und erkannte das Offensichtliche.
Um meiner Unbekannten einen Namen zu geben, musste ich selbst die Initiative ergreifen.
Ich fügte dem Foto des Mädchens einen kurzenText bei und ging dann zum Drucker.
Mit einem Stapel Flugblätter in der Hand machte ich mich auf denWeg.
11
Das einzige Fahrzeug auf dem Parkplatz des Yum-Tum war der klapprige Ford Escort vomAbend zuvor.Wahrscheinlich gehörte er Shannon King.
Ich schnappte mir eine Handvoll Flugblätter vom Beifahrersitz, stieg aus und ging zurTür. Hinter mir ratterte einAuto. Unter meinen Sohlen knirschte Kies.
ImTageslicht konnte ich einige der Geschäfte in der Nachbarschaft identifizieren. EinenWerkzeugmacher, einen Laden, dessen Rasen voller Gussbeton stand, einen Siebdrucker, einen bröckelnden Gebäudekomplex, der aussah wie ein altes Motel 6, das man zuApartments umgebaut hatte.
Kein Telefon, kein Pool, keine Haustiere …
Danke, Mr. Miller.
Das vordere Fenster des Yum-Tum war mit Zetteln vollgepflastert, einige neu, die meisten vergilbt und mit abstehenden Ecken. Ich blieb stehen, um ein paar durch das schmuddelige Glas zu lesen.
Verschwundene Katzen und Hunde, ein Papagei. Viel Glück damit. EineWerbung für einenWet-T-Shirt-Wettbewerb in einer Bar, die es vermutlich längst nicht mehr gab. Eine Schriftstellerin, die ihr selbst publiziertes Buch verkaufen wollte, Gewicht und Wille. Im Ernst? In dieser Fettzellenzentrale?
King stand hinter derTheke und blätterte in einerAusgabe von OK! . Die verklebtenWimpern hoben sich, als ich in den Laden klimperte.
»Hi, Shannon.«
»Hey.« Unverbindlich.
»Ob ich vielleicht ein paar von denen da aufhängen kann?« Ich gab ihr ein Flugblatt.
Sie betrachtete das Foto und las daswenige, was ich dazugeschrieben hatte, Details über den Unfall und das Opfer, meine und Slidells Kontaktdaten.
»Okay.« Sie deutete mit dem Daumen auf das Motel 6. »Vielleicht haben ja die Mutanten aus denApartments was gesehen.«
Sie griff unter dieTheke und holte eine mit Haaren verklebteTesa- R olle hervor.
»Hängen Sie’s ins Fenster.«
»Darf ich auch eins in dieTür kleben?«
Die dunklen Brauen zogen sich zusammen.
»Sie haben meine Karte.Wenn der Besitzer was dagegen hat, soll er mich anrufen«, sagte ich.
» Was soll’s. Ich sag ihm, der Coroner hat drauf bestanden.« Sie legte ein Exemplar seitlich auf dieTheke, sodass es von der Kundenseite aus zu sehen war. »Ich behalte eins hier, Sie wissen schon, um zu sehen, wie die Leute reagieren. Falls sie, also irgendwie schuldbewusst aussehen oder so.«
Klasse. Ich hatte ein Mädchen im Kühlraum und meineTochter im Kriegsgebiet. Ich brauchte keineAmateur-Ermittlerin.
»Das ist okay, Shannon.Aber bitte nur beobachten.Verwickeln Sie niemanden in ein Gespräch.«
»Halten Sie mich für eine Idiotin?«
»Natürlich nicht.«
Ich spürte die Gothic-Augen im R ücken, als ich die Flugzettel anklebte und den Laden verließ.
DerTag wurde wärmer, dieWolkendecke löste sich auf.
Nachdem ich meine Jacke ausgezogen hatte, fuhr ich zum Motel 6.
Der Komplex, The Pines genannt, war eine lange, rechteckige Schachtel, die wenig Motivation zum Aufrechtstehen zu haben schien. Ein Anstrich, der früher einmal die
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