Totengeld
schnappte mir Handtasche und Schlüssel und öffnete die Hintertür.
Und erstarrte.
Auf der Fußmatte stand ein Karton, wie man ihn benutzt, wenn man einen Pullover oder ein Hemd verschenken will. Auf dem Deckel sah ich kein Etikett, keinen gedruckten oder handgeschriebenen Namen oder Absender.
Das Ding hatte nichts übermäßig Bedrohliches. Keine Drähte. Keine Geräusche aus dem Inneren. Trotzdem waren meine Instinkte im Alarmzustand.
Das Schattenspiel in der Nacht. Die Bewegung unter dem Baum.
Und noch etwas.
Eine rötlich braune Blüte hatte sich vom unteren Rand des Kartons über die linke Seite ausgebreitet.
Ich schaute mich um.
Mein Mazda stand da, wo ich ihn abgestellt hatte. Kein Auto stand am Bordstein oder fuhr die Einfahrt entlang. Das Gelände war leer. Die Myers Park Baptist Church auf der anderen Straßenseite war verlassen. Vor der Ampel an der Selwyn warteten ein paar Fahrzeuge.
Ich schaute wieder auf den Karton hinunter. Ich atmete einmal tief durch, stellte meine Laptoptasche ab und zog Gummihandschuhe aus einem Außenfach. Nachdem ich sie übergestreift hatte, öffnete ich behutsam den Deckel.
Der Karton enthielt nur einen Gegenstand. Graubraun und verschrumpelt, sah er aus wie ein Stück mumifiziertes Fleisch. Der Karton darunter war dunkel und glänzend.
Anfangs hatte ich keine Ahnung.
Ich drehte das Ding mit einer Fingerspitze um. Schaute es mir genauer an.
Und dann begriff ich.
Obwohl der Tag warm war, lief mir ein Schauer über den Rücken.
»Mein Gott …«
Ich schluckte. Schluckte noch einmal. Hob den Kopf und ließ mir die frische Morgenluft übers Gesicht streichen. Zwang mich, ruhig zu bleiben.
Wieder kontrollierte ich die Umgebung, dann drückte ich den Deckel wieder zu, trug den Karton in die Küche und schloss die Tür.
Mit zitternder Hand zog ich mein iPhone aus der Handtasche und drückte auf einen Kurzwahlknopf.
Slidell hob nach dem zweiten Läuten ab.
»Wo zum Teufel sind Sie?«
»Kommen Sie zu mir. Sofort.«
Slidell hörte die Dringlichkeit in meiner Stimme.
»Alles in Ordnung, Doc?«
»Ja. Nein. Kommen Sie einfach sofort her. Und vielleicht sollten Sie die Spurensicherung benachrichtigen.«
Dieses eine Mal stellte er keine Fragen.
Ich schloss Birdie im Schlafzimmer ein und kehrte in die Küche zurück. In weniger als zwanzig Minuten war Slidell an meiner Tür. Er wirkte nervös und besorgt.
Ich ließ ihn ein und zeigte ihm, was ich auf die Anrichte gestellt hatte.
»Das lag heute Morgen auf meiner Türschwelle.« Ich klang viel ruhiger, als ich mich fühlte. »Es kann sein, dass ich heute Nacht gegen halb drei einen Eindringling gesehen habe.«
»Haben Sie den Karton geöffnet?«
Ich nickte und hob die Latexhände.
»Was ist es?«
Ohne zu antworten, nahm ich den Deckel ab und trat beiseite.
Slidell schob seinen Bauch zur Anrichte und schaute in den Karton.
»Ach du Scheiße.«
Slidell schaute weg, dann gleich wieder hin. Nach ein paar Sekunden zog er die Brauen zusammen. »Ist es das, wofür ich es halte?«
»Eine Zunge.«
»Menschlich?« Sein Ton sagte mir, dass er die Antwort bereits kannte.
»Ja. Beachten Sie die Papillen.«
»Die kleinen Höcker, die aussehen wie Brustwarzen?«
»Ja.«
Slidell strich sich übers Kinn. »Der Schnitt sieht ziemlich sauber aus.«
»Ja. Obwohl es Abschürfungen und Risse gibt, die wahrscheinlich durch Reiben an den Zähnen verursacht wurden.«
»Sagen die Schnittspuren Ihnen irgendwas?«
»Ich sehe Krümmungen. Mehrere Bögen, das heißt mehrere Versuche, das Fleisch zu durchtrennen. Ich schätze, mit einer kleinen Astschere mit Wellenschliff.«
Slidell richtete sich auf und atmete tief durch.
»War das Opfer am Leben, als es passierte?«
»Die Verfärbung des Kartons deutet auf starke Blutung hin.«
Slidell hob die Augenbrauen.
»Sobald das Herz aufhört, Blut durch die Gefäße zu pumpen, stoppt die Blutung.« Sehr vereinfacht, aber ausreichend für Slidell.
»Haben Sie in letzter Zeit irgendjemand verärgert? Ich meine, mehr als gewöhnlich?« Slidell war schon wieder ganz der Alte.
Ich zuckte die Achseln. Wer weiß? »Halten Sie das für eine Drohung? Eine Warnung?«
Slidell zog sein Handy heraus und tippte Ziffern ein.
»Schafft die Spurensicherung her.« Er nannte meine Adresse und runzelte dann die Stirn über die Information, die er erhielt. »Dann eben so schnell wie’s geht.«
Er klemmte sich das Handy wieder an den Gürtel und schaute mich mürrisch an. »Wie kommen Sie drauf,
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