Totengeld
herstellen.
Das Geschrei wurde intensiver. Kam näher. Ich hörte knappe Befehle. Antworten. Knirschen. Dumpfe Schläge.
»Vorsicht!«, bellte ich. Oder flüsterte. »Ich bin okay, aber bitte Vorsicht.«
Das Knirschen ging weiter. Trennte sich in Geräusche einzelner Steine, die bewegt wurden.
Nach einer Ewigkeit, wie es mir vorkam, durchstach ein einzelner Lichtstrahl die Dunkelheit. Noch mehr Knirschen, dann kamen helle Nadeln aus allen Richtungen, ein Kaleidoskop funkelnden Staubs in der Luft um mich herum.
Schließlich wurde ein Felsbrocken angehoben, und grelles, wunderbares Sonnenlicht strömte herein. Geblendet blinzelte ich nach oben.
Blantons Gesicht hing über mir, die Haut so rot wie gekochter Schinken.
»Halten Sie still. Wir holen Sie sofort raus.«
Ich konnte nur lächeln.
Drei Stunden später waren wir auf der Rückfahrt nach Delaram. Aqsaee und Rasekh lagen in Leichensäcken hinten im Fahrzeug.
Beim Einschlag der Mörsergranate waren beide Marines hinter dem Humvee positioniert gewesen. Welsted ebenfalls. Bis auf ein paar Kratzer von herumfliegenden Splittern waren alle drei unverletzt geblieben.
Ironie des Schicksals. Blantons Gier nach Nikotin hatte ihn gerettet. Er hatte ebenfalls außerhalb der Einschlagzone gestanden. Die Grabhelfer, trotz ihrer Jugend schon kriegserfahren, hatten das heranrasende Geschoss gehört, begriffen und die Beine in die Hand genommen.
Mit anderen Worten, ich war die Einzige, die blöd genug gewesen war, um etwas abzubekommen. In kniender Haltung zu langsam oder zu unerfahren, um davonzurennen. Die Wucht der Explosion hatte mich ins Grab geschleudert. Die Schuttschicht über mir war gar nicht so dick gewesen. Und obwohl es mir vorgekommen war wie eine Ewigkeit, war ich nur ungefähr zehn Minuten verschüttet gewesen. Die Seitenwände der Grube hatten mich geschützt.
»Wahrscheinlich eine M252A1 «, spekulierte Welsted während der Fahrt. »Man lernt, die Unterschiede zu erkennen. Jede Granate singt in der Luft ihr eigenes Lied.«
»Sehr interessant, aber irrelevant. Die wichtige Frage ist doch: Wer hat das verdammte Ding abgefeuert?«
»Das kann man im Augenblick einfach nicht sagen. Wahrscheinlich kein friendly fire. Unsere Leute hätten mehr als eine abgefeuert.« Welsted beantwortete zwar Blantons Frage, jedoch direkt an mich gewandt. »Die M252 stammen zwar aus britischer Herstellung, aber unsere Mörsereinheiten verwenden sie. Army und Marines. Wenn Truppen gezwungen sind, sich schnell zurückzuziehen, können Waffen zurückgelassen werden.«
»Und die Aufständischen sammeln sie auf.«
Welsted nickte. »Sie nehmen sie und tun damit, was jeder clevere Feind tun würde.«
»Waren wir das Ziel?«, fragte ich.
Welsted zuckte die Achseln. »Kann sein, dass ein Späher unser Fahrzeug entdeckt und die Chance gesehen hat, es zu eliminieren, es könnte aber auch eine Fehlzündung gewesen sein oder eine falsche Flugbahnberechnung auf ein anderes Ziel. Könnte –«
»Könnte auch jemand was weltklassemäßig vergeigt haben. Ich bin hier rausgekommen, um einen Job zu erledigen, nicht um mir den Arsch abschießen zu lassen.«
Welsted warf Blanton einen vernichtenden Blick zu.
»Wir sind hier in einem Kriegsgebiet. Jeder Auftrag birgt ein gewisses Risiko.«
»Werden Sie Ermittlungen anstellen, woher die Granate kam?«, fragte ich.
»Ein Erkundungsteam ist bereits unterwegs, aber ich erwarte nicht viel. Diese Granatwerfer wiegen nur gut dreißig Kilo. Ein Zweimannteam kann in Windeseile eine Granate abschießen und verschwinden. Und der Mörser hat eine Reichweite von dreieinhalb Meilen. Das ist eine Menge Sand zum Absuchen. Bin überrascht, dass die Schützen nur eine Granate abgefeuert haben. Wahrscheinlich hatten sie nur eine.«
»Sind die Taliban nicht klasse?« Blanton schüttelte angewidert den Kopf.
In diesem Augenblick traf der Humvee ein Schlagloch. Der plötzliche Ruck schickte mir einen Feuerstoß vom Knöchel bis ins Knie. Welsted sah, dass ich zusammenzuckte.
»Sie sollten sich das behandeln lassen.«
»Ich kümmere mich selber darum.«
»Ihre Entscheidung.«
Und das war mir auch recht so. Die ganze Sache war mir schon peinlich genug. Dank Helm und Panzerweste beschränkten sich meine Verletzungen auf Schnitte und Abschürfungen. Aber der verstauchte Knöchel hatte mich gezwungen, den Rest der Exhumierung am Grabesrand sitzend zu überwachen.
Verängstigt von der Explosion, hatten die ursprünglichen Grabhelfer sich geweigert
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