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Totengeld

Totengeld

Titel: Totengeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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sich von dem zu Hause im MCME kaum unterschied. Dort würden sie bis zu meiner Untersuchung bleiben.
    Ich schaute kurz zur Dorfdelegation und wandte mich dann an Welsted.
    »Wenn noch heute Abend Röntgenaufnahmen von jedem Objekt gemacht werden könnten, würde das die Arbeit morgen deutlich beschleunigen. Ich muss wissen, was drin ist, bevor ich die Leichentücher aufwickle.«
    »Sie sollten eigentlich in die Koje.«
    »Das sollten wir alle«, erwiderte ich.
    Welsted sah mich lange an. »Wenn ich anwesend bin, trauen Sie dann einem Radiologietechniker zu, dass er die richtigen Aufnahmen macht?«
    Genau das würde ich auch zu Hause tun.
    »Ja«, sagte ich.
    Welsted ging zu den Dörflern und kam nach kurzer Unterhaltung zurück.
    »Sie sind damit einverstanden. Solange wir dafür sorgen, dass die Leichen in Richtung Mekka liegen.«
    »Ich kann bleiben.«
    Welsted schaute auf die Uhr. »Sie machen jetzt Feierabend.« Zu den anderen: »Das gilt für alle. Wir treffen uns morgen früh hier um null-siebenhundert wieder.«
    Zurück in meinem Quartier, warf ich meine Schutzweste in die Ecke, zog den Kampfanzug aus und streifte die Socken ab. Mein Knöchel war ein Tequila Sunrise aus gesprenkeltem Fleisch und abgeschürfter Haut.
    Ich wusste, dass ich die Verletzung kühlen sollte. Hatte aber nicht die Zeit, mir über eine Schwellung den Kopf zu zerbrechen. Ich sagte mir, dass es viel schlimmer hätte kommen können, streifte Jeans und ein Sweatshirt über und band den Stiefel so fest, wie ich es ertragen konnte. Beim Losgehen hoffte ich, dass ich noch nicht zu spät dran war.
    Abends um zehn ging es auf dem Stützpunkt so geschäftig zu wie tagsüber. Auf den Straßen dröhnten Humvees, Pick-ups, Jeeps und Motorräder. Fußgänger eilten zu Kantinen, Freizeitzentren, Duschen oder zurück in ihre Quartiere. Funktürme und Lichtmasten flackerten vor dem nächtlichen Himmel.
    Die Luft war kühl, der Wind kam frisch aus den Bergen. Insekten umschwärmten die Straßenlaternen.
    Immer wieder nach dem Weg fragend, fand ich schließlich das einstöckige, gelbe Gebäude, über dessen Eingang ein Transparent mit der Aufschrift Lighthouse hing. Draußen standen ein paar Gäste herum, ihre Zigarettenspitzen leuchteten orange in der Dunkelheit.
    »Mom! Mom, hierher!«
    Ich hob den Kopf.
    Katy winkte mir vom Balkon im ersten Stock.
    »Komm hoch.«
    Ich hatte den Knöchel völlig vergessen, als ich mich durch die Tür zwängte und die Treppe hochstieg.
    Der Laden war gesteckt voll, nur ein Tisch war frei. Ich ging eben darauf zu, als Katy strahlend und mit weit ausgebreiteten Armen auf mich zustürmte.
    Als wir uns umarmten, staunte ich über die Kraft meiner Tochter. Über die neue Härte ihres Bizeps.
    »Heilige Scheiße, Mom. Du bist ja wirklich hier.«
    »Ja, bin ich wirklich.«
    »Ich war bei deiner Unterkunft, aber du warst nicht da.«
    »Ja«, sagte ich nur.
    Ein Lance Corporal der Marines ging auf den freien Tisch hinter uns zu. Ein Blick von Katy, und er machte kehrt. Wir beide setzten uns.
    »Was ist mit deinem Fuß los?«
    »Hab mir einen Muskel gezerrt.«
    »Weichei.«
    »Genau. Hab deine Nachricht erhalten. Hat ein Scott Blanton sich bei dir gemeldet?«
    »Wer?«
    »Egal.«
    Katy hatte ihre Haare sehr kurz geschnitten. Das wurde zwar nicht verlangt, aber meine Tochter war noch nie ein Freund von halben Sachen gewesen.
    »Ich habe deine E-Mails erhalten.«
    »Und warum hast du nicht geantwortet?«
    »Unsere Einheit war außerhalb des Lagers. Sind eben zurückgekommen.«
    »Was habt ihr getrieben?« So beiläufig, wie es nur ging.
    »Kann ich nicht sagen. Das verstehst du doch. Außerdem wissen wir doch beide, wie du sein kannst.«
    »Wie ich sein kann?«
    Katy machte Glubschaugen, öffnete den Mund und schlug sich mit den Händen auf die Wangen. »Völlig hysterisch.«
    »Ich werde nicht völlig hysterisch.«
    »Okay. Aber du machst dir zu viele Sorgen.«
    »Oder du zu wenig.« Die Müdigkeit. Der Knöchel. Ich bedauerte den Satz, kaum dass ich ihn ausgesprochen hatte.
    Katy kniff den Mund zusammen.
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Ich hatte einen langen Tag.«
    »Ich mache nur meinen Job, Mom, genauso wie du. Du bist hierhergekommen. Ich bin hierhergekommen. Wir wussten beide, dass wir nicht in den Club Med fliegen.«
    »Du hast recht. Hysterisch. Okay.«
    Katys Ausdruck wurde sanfter.
    »Braucht dir nicht leidzutun. Ich wäre am Boden zerstört, wenn du dir keine Sorgen machen würdest. Wer würde das denn sonst für mich

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