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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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beschleunigte den Rhythmus, und Abby wiegte sich schneller, schnippte mit den Fingern: »I could say bella, bella , even say wunderbar , each language only helps me to tell you how grand you are … « Justin umfasste meine Taille und hob mich in einer ausladenden, schwungvollen Drehung vom Boden, sein Gesicht gerötet und lachend dicht vor meinem. Der weite leere Raum warf Abbys Stimme hin und her, als würde in jeder Ecke jemand mitsingen, und unsere Schritte schallten und hallten, bis es klang, als wäre der Raum voller Tänzer, als hätte das Haus all die Menschen herbeigerufen, die hier über die Jahrhunderte hinweg an Frühlingsabenden getanzt hatten, galante junge Frauen mit galanten jungen Männern, die am nächsten Tag in den Krieg zogen, alte Männer und alte Frauen, den Rücken kerzengerade, während draußen ihre Welt zusammenbrach und die neue bereits an die Tür hämmerte, alle beschädigt und alle lachend, uns in ihrer langen Ahnenreihe willkommen heißend.

9
    »Schön, schön, schön«, sagte Frank am selben Abend. »Du weißt, was heute für ein Tag ist, nicht?«
    Ich hatte keinen Schimmer. Ich war in Gedanken noch halb in Whitethorn House. Nach dem Essen hatte Rafe ein zerfleddertes, vergilbtes Liederbuch aus der Klavierbank hervorgeholt und weitere Songs aus den dreißiger und vierziger Jahren gespielt, Abby sang vom Gästezimmer aus mit – »Oh Johnny, how can you love« –, während sie erneut herumstöberte und Daniel und Justin den Abwasch machten, und der Rhythmus hatte mir auf dem ganzen Weg über den Rasen bis zum Tor hinaus in den Fersen gefedert, süß und schmissig und verlockend. Einen Moment lang hatte ich sogar mit dem Gedanken gespielt, einfach zu Hause zu bleiben, Frank und Sam und das mysteriöse Augenpaar einen Abend sich selbst zu überlassen. Schließlich hatten mich diese Ausflüge bisher kein bisschen weitergebracht. Es waren Wolken aufgezogen, nadelfeiner Nieselregen besprühte die Gemeinschaftsjacke, und ich ließ beim Telefonieren nicht gern die Taschenlampe an. Ich konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Ein ganzes Rudel messerschwingender Stalker hätte um das Cottage herum Polonaise tanzen können, und ich hätte nichts gemerkt.
    »Falls du Geburtstag hast«, sagte ich, »musst du noch ein Weilchen auf dein Geschenk warten.«
    »Sehr witzig. Es ist Sonntag, Kleines. Und wenn ich mich nicht total irre, bist du noch immer in Whitethorn House, als würdest du nirgendwo sonst hingehören. Was bedeutet, wir haben unsere erste Schlacht gewonnen. Du hast die ganze Woche durchgestanden, ohne erwischt zu werden. Glückwunsch, Detective. Du bist drin.«
    »Sieht ganz so aus«, sagte ich. Ich hatte irgendwann zwischendurch aufgehört, die Tage zu zählen. Ich beschloss, das als gutes Zeichen zu sehen.
    »Also«, sagte Frank. Ich konnte hören, wie er es sich gemütlicher machte, das Radio im Hintergrund mit der aufgebrachten Stimme eines Anrufers leiser stellte: Er war zu Hause, wo immer das sein mochte, seit Olivia ihn rausgeschmissen hatte. »Dann fassen wir Woche eins mal zusammen.«
    Ich zog mich auf eine Mauer und ließ mir einen Augenblick Zeit, um einen klaren Kopf zu bekommen, ehe ich antwortete. Bei all seiner lässigen Art ist Frank doch durch und durch Profi: Er will Berichte wie jeder andere Boss, und er will sie klar, gründlich und knapp haben.
    »Woche eins«, sagte ich. »Ich habe mich in Alexandra Madisons privates Umfeld und in ihr Umfeld an der Uni eingeschleust, offenbar erfolgreich, da niemand Anzeichen von Misstrauen zeigt. Ich habe Whitethorn House, soweit es mir möglich war, durchsucht, aber nichts gefunden, was uns in eine bestimmte Richtung lenken könnte.« Das entsprach im Kern der Wahrheit. Der Terminkalender deutete vermutlich irgendwohin, aber bislang hatte ich keine Ahnung, wohin. »Ich habe, sooft es ging, Zugang zu mir ermöglicht – für bekannte Kontakte, indem ich versucht habe, bei regelmäßigen Gelegenheiten tagsüber und abends allein zu sein, und für Unbekannte, indem ich auf meinen Spaziergängen bewusst sichtbar bleibe. Bislang ist niemand auf mich zugekommen, den wir noch nicht auf dem Radar hatten, aber das schließt zu diesem Zeitpunkt einen Unbekannten als Täter nicht aus. Möglicherweise wartet er auf einen günstigen Augenblick. Ich wurde verschiedentlich auf die Tat angesprochen von sämtlichen Mitbewohnern und einer Reihe Studenten und Dozenten, aber alle schienen in erster Linie wissen zu wollen, wie es mir geht, so was eben

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