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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Und, Cassie … «
    Seine Stimme klang düsterer, angespannt. »Ich bin vorsichtig«, sagte ich. »Ich bin die ganze Zeit vorsichtig.«
    »Halb zwölf bis ein Uhr. Das ist genau die Uhrzeit, in der Lexie erstochen wurde.«
    »Ich weiß. Ich hab unterwegs keinen Verdächtigen herumlungern sehen.«
    »Hast du deinen Revolver dabei?«
    »Immer wenn ich das Haus verlasse. Frank hat mir deshalb schon die Leviten gelesen.«
    »Frank«, sagte Sam, und ich hörte die plötzliche Reserviertheit in seiner Stimme. »Richtig.«
    Nachdem wir aufgelegt hatten, wartete ich noch lange im Schatten des Baumes. Ich hörte etwas durchs hohe Gras springen und den dünnen Schrei, als das Raubtier da draußen schließlich zuschlug. Als das Geraschel in der Dunkelheit verklungen war und sich nur noch kleines Getier bewegte, trat ich rasch auf den Feldweg und ging nach Hause.
    Ich verharrte am hinteren Tor und schaukelte eine Weile darauf, lauschte dem langsamen Quietschen der Scharniere und blickte den langen Garten hoch zum Haus. Es wirkte anders in jener Nacht. Der graue Stein der Rückseite war glatt und wehrhaft wie eine Burgmauer, und der goldene Schein, der aus den Fenstern fiel, kam mir nicht mehr anheimelnd vor. Er hatte etwas Trotziges angenommen, etwas Warnendes, wie ein kleines Lagerfeuer in einem wilden Wald. Das weiße Mondlicht verwandelte den Rasen in ein weites, unruhiges Meer, mit dem Haus groß und reglos in der Mitte, auf allen Seiten ungeschützt. Belagert.

10
    Wenn du einen Riss findest, drückst du darauf und stellst fest, ob er nachgibt. Ich hatte ungefähr anderthalb Stunden gebraucht, um mir zu überlegen, dass Justin mein bester Ansatzpunkt war, falls es etwas gab, was die vier mir nicht erzählten. Jeder Detective mit ein paar Jahren Berufserfahrung kann dir sagen, wer zuerst die Nerven verlieren wird. Ich hab mal erlebt, dass Costello, der seit den achtziger Jahren zum Morddezernat gehört wie das Mobiliar, bei einer Gruppe von Verdächtigen auf Anhieb den schwächsten herauspickte, nachdem er bloß bei ihrer erkennungsdienstlichen Behandlung zugesehen hatte. Das ist unsere Version von Erkennen Sie die Melodie .
    Bei Daniel und Abby wäre es zwecklos: Sie waren beide zu beherrscht und zu konzentriert, fast unmöglich abzulenken oder auf dem falschen Fuß zu erwischen – ich hatte ein paarmal versucht, Abby zu entlocken, wen sie für den Kindsvater hielt, aber nur einen kühlen, ausdruckslosen Blick geerntet. Rafe war leichter zu beeinflussen, und ich wusste, dass ich notfalls etwas aus ihm herausholen könnte, aber es würde schwierig werden. Er war zu aufbrausend und widersprüchlich, möglich, dass er mir erzählen würde, was ich wissen wollte, aber er könnte auch ebenso gut wutentbrannt davonstürzen. Justin, der sanfte, phantasievolle, schnell beunruhigte Justin, der immer wollte, dass alle glücklich sind, war schon fast der Traumkandidat eines Vernehmers.
    Nur dass ich nie allein mit ihm war. In der ersten Woche hatte ich das nicht registriert, aber jetzt, wo ich nach einer Gelegenheit suchte, fiel es mir rückblickend auf. Daniel und ich fuhren mehrmals pro Woche zusammen zur Uni, und ich war oft mit Abby zusammen – beim Frühstückmachen, nach dem Abendessen, wenn die Jungs abwuschen, manchmal klopfte sie noch spätabends an meine Tür, setzte sich mit einer Packung Kekse zu mir aufs Bett, und wir unterhielten uns, bis wir müde wurden. Aber wenn ich mal länger als fünf Minuten mit Rafe oder Justin allein war, kam unweigerlich einer von den anderen dazu oder rief uns, und sogleich wurden wir wieder mühelos, unmerklich von der Gruppe umfangen. Vielleicht war das ganz normal. Die fünf verbrachten nun mal furchtbar viel Zeit zusammen, und Gruppen unterteilen sich meist in feine Untergruppen, Zweierkonstellationen, die nie zu eng werden, weil sie nur als Teil des Ganzen harmonieren. Aber ich fragte mich doch, ob jemand, vermutlich Daniel, die vier mit dem taxierenden Blick eines Vernehmers eingeschätzt hatte und zu derselben Schlussfolgerung gelangt war wie ich.
    Am Montagmorgen dann bekam ich meine Chance. Wir waren an der Uni. Daniel unterrichtete seinen Tutorenkurs, und Abby hatte einen Termin bei ihrem Doktorvater, daher waren Rafe, Justin und ich allein in unserer Ecke der Bibliothek. Als Rafe aufstand und irgendwo hinging, vermutlich zum Klo, zählte ich bis zwanzig und schob dann den Kopf über die Trennwand an Justins Arbeitsplatz.
    »Hallo, du«, sagte er und blickte von einer säuberlich

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