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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Unterdessen spricht Lexie die alten Männer am Nebentisch an, um rauszufinden, was denn eigentlich los ist. Keiner antwortet ihr, keiner würdigt sie auch nur eines Blickes. Alle drehen ihr bloß den Rücken zu und unterhalten sich weiter.«
    »Du liebe Zeit«, sagte ich. Es ist gar nicht so einfach, wie es klingt, fünf Leute zu ignorieren, die deine Aufmerksamkeit wollen. Es verlangt einiges an Konzentration, sich über die eigenen Instinkte dermaßen hinwegzusetzen, und dazu ist ein Grund erforderlich, etwas Hartes und Kaltes wie Felsgestein. Ich versuchte, den Feldweg in beiden Richtungen gleichzeitig im Auge zu behalten.
    »Justin regt sich auf und will gehen, Rafe wird stinksauer und will bleiben, Lexie legt sich mehr und mehr ins Zeug, die Leute zum Reden zu bringen – bietet ihnen Schokolade an, erzählt Witze –, und eine Gruppe jüngerer Typen in einer Ecke fängt an, böse Blicke rüberzuwerfen. Abby hatte zwar auch keine große Lust, einen Rückzieher zu machen, aber sie und Daniel meinten beide, die Situation könnte jeden Augenblick außer Kontrolle geraten. Sie haben die anderen geschnappt und sind gegangen, und sie haben sich nie wieder blicken lassen.«
    Ein leichter Wind brachte die Blätter zum Rascheln, wehte den Feldweg hoch auf mich zu. »Ganz Glenskehy hegt also Animositäten gegen die fünf«, sagte ich, »aber nur ein oder zwei Leute gehen einen Schritt weiter.«
    »Genau das glaube ich. Und die ausfindig zu machen wird spaßig werden. Glenskehy hat nämlich rund vierhundert Einwohner, die Farmen ringsherum mitgezählt, und keiner von denen ist bereit, mir bei der Eingrenzung möglicher Verdächtiger behilflich zu sein.«
    »Dabei könnte ich dir helfen«, sagte ich. »Na ja, mit einem Profil. Ich kann’s jedenfalls versuchen. Über Vandalen werden leider nicht so viele psychologische Daten gesammelt wie über Serienkiller, daher wird das meiste Spekulation sein, aber zumindest gibt es ein halbwegs erkennbares Muster, so dass ich dir ein paar Sachen sagen kann.«
    »Ich bin auch mit Spekulationen zufrieden«, sagte Sam munter. Ich hörte Seiten rascheln, Knistern, als er das Telefon zwischen Ohr und Schulter klemmte, um besser schreiben zu können. »Ich nehm alles, klar. Schieß los.«
    »Okay«, sagte ich. »Du suchst nach jemandem aus der Gegend, natürlich – in Glenskehy geboren und aufgewachsen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit männlich. Ich glaube, es ist eher ein Einzeltäter, keine Gruppe: Bei spontanem Vandalismus ist meistens eine Gruppe beteiligt, aber geplante Hasskampagnen wie in diesem Fall sind in der Regel eher privater Natur.«
    »Kannst du mir irgendwas über ihn sagen?« Sams Stimme klang undeutlich, weil ihm der Hörer beim Schreiben verrutscht war.
    »Wenn die Sache vor vier Jahren angefangen hat, dann ist er vermutlich Mitte zwanzig bis Anfang dreißig – Vandalismus wird für gewöhnlich von jungen Männern verübt, aber dieser Täter geht für einen Jugendlichen zu systematisch vor. Schulbildung – höchstens Abitur, aber kein Studium. Er lebt mit jemandem zusammen, entweder seinen Eltern oder einer Ehefrau oder Freundin: Keine Angriffe nach ein Uhr nachts, jemand erwartet, dass er zu einer bestimmten Zeit zu Hause ist. Er geht einer regelmäßigen Arbeit nach, von morgens bis abends die ganze Woche, sonst hätte es auch tagsüber Vorfälle gegeben, wenn wir alle an der Uni sind und die Luft rein ist. Der Arbeitsplatz ist auch hier in der Gegend, er pendelt nicht nach Dublin oder woandershin; das Maß an Obsession besagt, dass Glenskehy seine ganze Welt ausmacht. Und er ist nicht zufrieden damit. Seine Arbeit entspricht bei weitem nicht seinen intellektuellen Fähigkeiten oder seinem Bildungsniveau, zumindest glaubt er das. Und er hatte vermutlich schon vorher immer wieder Probleme mit anderen Menschen, Nachbarn, Exfreundinnen, vielleicht Arbeitgebern. Dieser Typ kommt nicht gut mit Autorität klar. Es könnte sich lohnen, bei Byrne und Doherty nachzufragen, ob ihnen irgendwelche alten Streitigkeiten zwischen Einheimischen bekannt sind oder jemand Anzeige wegen Belästigung erstattet hat.«
    »Wenn der Bursche, den ich suche, Leute aus Glenskehy belästigt hat«, sagte Sam grimmig, »dann werden die nie und nimmer zur Polizei gehen. Die würden ihre Kumpel zusammentrommeln und ihn irgendwann abends vermöbeln, ganz klar. Und er würde dann auch nicht zur Polizei gehen.«
    »Nein«, sagte ich, »wahrscheinlich nicht.« Ein Huschen auf der Wiese

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