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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Bett für einen Zehner pro Nacht. Rechnet man den Flug hinzu und genug Bargeld, um sich ein paar Wochen über Wasser zu halten, während man sich einen Job in einer Kneipe oder einem Fastfoodrestaurant oder beim Touribüro sucht, und ein nagelneues Leben ist schon zum Preis eines Gebrauchtwagens zu haben. Ich hatte zweitausend gespart – mehr als genug.
    Und Lexie wusste das alles besser als ich. Sie hatte es schon gemacht. Sie hätte keinen verschollenen Rembrandt hinten in ihrem Schrank finden müssen. Sie hätte lediglich irgendetwas gebraucht, was sich einigermaßen lukrativ verscherbeln ließ – ein schönes Schmuckstück, ein seltenes Porzellanteil, ich hab gehört, auch Teddybären können mehrere hundert bringen –, sowie den passenden Käufer. Und natürlich die Bereitschaft, Kleinigkeiten aus diesem Haus hinter dem Rücken der anderen zu verhökern.
    Sie war in Chads Auto abgehauen, aber ich hätte bedenkenlos auf alles geschworen, dass das etwas anderes gewesen war. Hier hatte sie ein Zuhause gehabt.
    »Ich würde uns allen neue Betten kaufen«, sagte ich. »In meinem spür ich die Sprungfedern schon durch die Matratze, wie die Prinzessin auf der Erbse, und ich höre jedes Mal, wenn Justin sich umdreht.« Damit klappte ich die Spieldose wieder auf, um das Gespräch zu beenden.
    Abby sang leise mit, während sie die Tonpfeife in den Händen drehte. »Greensleeves is all my joy, Greensleeves is my delight … « Rafe hantierte mit dem Uhrwerk und fing an, den Antrieb zu untersuchen. Justin schnippte eine von den Murmeln gekonnt gegen eine andere, die über den Boden kullerte und gegen Daniels Tasse klickte. Er blickte von einem Bleisoldaten auf, lächelnd, das Haar tief in der Stirn. Ich betrachtete die anderen und strich mit den Fingern über die alte Seide und hoffte inbrünstig, dass ich die Wahrheit gesagt hatte.

12
    Am nächsten Tag machte ich mich nach dem Abendessen daran, Onkel Simons episches Meisterwerk nach einer toten Frau aus Glenskehy zu durchforsten. Es wäre wesentlich leichter gewesen, wenn ich das allein hätte tun können, aber dann hätte ich mich krankstellen müssen, um die Uni zu schwänzen, und ich wollte die anderen nicht beunruhigen, solange es nicht unbedingt erforderlich war. Also setzten Rafe, Daniel und ich uns oben in eines der Gästezimmer und breiteten den Stammbaum der Familie March zwischen uns aus, während Abby und Justin unten Piquet spielten.
    Der Stammbaum war ein großes Blatt aus dickem ausgefransten Papier, auf dem allerlei Handschriften versammelt waren, von zarter, braun verfärbter Tinte ganz oben – James March, geb. ca. 1598, ehelichte Elizabeth Kempe 1619 – bis zu Onkel Simons Spinnengekrakel ganz unten: Edward Thomas Hanrahan, geb. 1975, und ganz zum Schluss Daniel James March, geb. 1979. »Das ist so ziemlich das Einzige hier im Raum, was halbwegs leserlich ist«, sagte Daniel und zupfte Spinnweben von einer Ecke, »wahrscheinlich, weil Simon es nicht selbst geschrieben hat. Der Rest … Wir können es ja versuchen, Lexie, wenn es dich wirklich so interessiert, aber ich hab den Eindruck, er hat das meiste im Vollrausch geschrieben.«
    »He«, sagte ich, beugte mich vor und deutete auf eine Stelle. »Da ist dein William. Das schwarze Schaf.«
    »William Edward March«, sagte Daniel und legte sacht einen Finger auf den Namen. »Geboren 1894, gestorben 1983. Ja, das ist er. Ich frage mich, wo er wohl am Ende abgeblieben ist.« William war einer der wenigen, die es geschafft hatten, über vierzig zu werden. Sam hatte recht gehabt, die Marchs starben jung.
    »Mal sehen, ob wir ihn hier drin finden«, sagte ich und zog eine Kiste näher an mich ran. »Der Bursche macht mich neugierig. Ich möchte wissen, was das für ein Riesenskandal war.«
    »Frauen«, sagte Rafe herablassend, »immer auf der Suche nach Klatsch und Tratsch«, aber er griff nach einer weiteren Kiste.
    Daniel hatte recht, der Großteil der Saga war nahezu unleserlich – Onkel Simon hatte einen Hang zu Mehrfachunterstreichungen und dichtgedrängten Zeilen, ziemlich viktorianisch. Aber ich musste es auch nicht richtig lesen. Ich überflog es bloß und suchte nach den hohen Schwüngen eines großen W oder M. Ich weiß nicht recht, was ich zu finden hoffte. Nichts, vielleicht; oder etwas, das die Rathowen-Geschichte über den Haufen warf, das belegte, dass die junge Frau mit ihrem Baby nach London gezogen war, wo sie erfolgreich einen Miederwarenladen eröffnete und glücklich und zufrieden

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