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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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jünger gewesen, hätte ich seine Beschreibung an Sam weitergegeben. Die Tatsache, dass er als Verdächtiger ausgeschlossen war – er hätte unmöglich schneller laufen können als fünf fuchsteufelswilde Studenten –, löste ein unangenehmes kurzes Frösteln zwischen meinen Schulterblättern aus. Abby drehte die Musik lauter. Rafe schmiss seinen Schuh auf den Boden und hielt den Mittelfinger an die Heckscheibe. Das , dachte ich, gibt noch Ärger .

    »Okay«, sagte Frank am selben Abend. »Ich hab meinen FBI-Freund überredet, seine Jungs noch ein bisschen rumschnüffeln zu lassen. Ich hab ihm gesagt, wir hätten Grund zu der Annahme, dass unsere Kleine abgehauen ist, weil sie einen Nervenzusammenbruch hatte, und dass wir deshalb nach Anzeichen und möglichen Gründen dafür suchen. Nur rein interessehalber, vermuten wir das wirklich?«
    »Ich hab keine Ahnung, was du vermutest, Frankie-Boy. Dein Verstand ist für mich ein schwarzes Loch.« Ich saß auf meinem Baum. Ich drückte den Rücken gegen einen Ast der Gabelung und stemmte einen Fuß gegen den anderen, so dass ich mein Notizbuch auf den Oberschenkel legen konnte. Das Mondlicht, das durch die Zweige drang, reichte gerade aus, um die Seite zu erkennen. »Momentchen.« Ich klemmte das Telefon unters Kinn und kramte nach meinem Stift.
    »Du klingst gutgelaunt«, sagte Frank argwöhnisch.
    »Ich hatte gerade ein köstliches Abendessen und viel Spaß. Da bin ich natürlich gutgelaunt.« Ich schaffte es, den Stift aus der Jackentasche zu fischen, ohne aus dem Baum zu fallen. »Okay, schieß los.«
    Frank stieß einen gereizten Ton aus. »Schön für dich. Werde nur nicht zu kumpelhaft. Könnte ja sein, dass du einen von deinen prima Freunden irgendwann verhaften musst.«
    »Ich dachte, du hast mich auf den geheimnisvollen Fremden mit dem schwarzen Umhang angesetzt.«
    »Ich bleib nur für alles aufgeschlossen. Und der Umhang ist nicht zwingend erforderlich. Okay, Folgendes haben wir bis jetzt – denk dran, du hast gesagt, du wolltest ganz alltäglichen Kram, also beschwer dich nicht. Am sechzehnten August 2000 hat Lexie-May-Ruth ihren Telefonanbieter gewechselt, um billigere Ortsgespräche führen zu können. Am zweiundzwanzigsten hat sie im Diner eine Lohnerhöhung bekommen, fünfundsiebzig Cent mehr pro Stunde. Am achtundzwanzigsten hat Chad ihr einen Heiratsantrag gemacht, und sie hat ja gesagt. Am ersten Wochenende im September sind die zwei nach Virginia gefahren, damit sie Chads Eltern kennenlernt, die sie als sehr liebes Ding beschrieben, und haben ihnen eine Topfpflanze mitgebracht.«
    »Der Verlobungsring«, sagte ich bemüht ruhig. In meinem Kopf prasselten die Ideen los wie Popcorn, aber ich wollte nicht, dass Frank das merkte. »Hat sie den mitgenommen, als sie verschwunden ist?«
    »Nein. Die Cops haben Chad damals danach gefragt. Sie hat ihn auf dem Nachttisch liegen lassen, aber das war normal. Sie hat ihn immer da hingelegt, wenn sie zur Arbeit ging, damit sie ihn nicht verliert oder aus Versehen in die Friteuse fallen lässt oder so. Das Ding war kein Riesenklunker. Chad ist Bassist in einer Grunge-Band, die sich Man From Nantucket nennt. Die Jungs warten noch auf ihren großen Durchbruch, und bis dahin arbeitet er als Zimmermann. Er ist ziemlich blank.«
    Aufgrund des schlechten Lichts und meiner nicht ganz bequemen Sitzposition gerieten meine Notizen kritzelig und total schief, aber ich konnte sie einigermaßen lesen. »Wie geht’s weiter?«
    »Am zwölften September haben sie und Chad auf einen gemeinsamen Kredit eine PlayStation gekauft. Ich vermute, das ist heutzutage auch schon so was wie ein Eheversprechen. Am achtzehnten hat sie ihr Auto verkauft, einen 86er Ford, für sechshundert Dollar – sie hat Chad erzählt, sie würde ja jetzt mehr Geld verdienen und wollte sich einen Wagen kaufen, der nicht ganz so schrottreif ist. Am siebenundzwanzigsten ist sie wegen einer Ohrenentzündung zum Arzt, hat sie sich wahrscheinlich beim Schwimmen zugezogen. Er hat ihr Antibiotika gegeben, die auch geholfen haben. Und am zehnten Oktober ist sie weg. Wolltest du so was haben?«
    »Ja«, sagte ich. »Das ist genau der Kram, der mir vorgeschwebt hat. Danke, Frank. Du bist ein Juwel.«
    »Ich hab so das Gefühl«, sagte er, »dass zwischen dem zwölften und achtzehnten September irgendwas passiert ist. Bis zum zwölften deutet alles darauf hin, dass sie bleiben will, wo sie ist: Sie verlobt sich, sie lernt die Schwiegereltern kennen, sie und Chad

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