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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Deshalb wäre ich nicht traurig, wenn wir die Sache bald beenden könnten.«
    »Ich auch nicht«, sagte ich, »das kannst du mir glauben.«
    »Ach ja? Ich hatte so das Gefühl, dass du dich da pudelwohl fühlst.«
    Ich wusste seine Stimme nicht zu deuten, keiner kann so gleichmütig tun wie Frank. »Es könnte sehr viel schlimmer sein, klar«, sagte ich vorsichtig. »Aber das heute Abend war ein Weckruf. Ich kann das nicht ewig durchhalten. Hat sich bei dir irgendwas ergeben?«
    »Noch immer kein Hinweis, warum May-Ruth auf und davon ist. Chad und ihre Freunde erinnern sich nicht, dass in dieser Woche irgendwas Ungewöhnliches passiert wäre. Aber das muss nicht unbedingt was heißen. Ist schließlich viereinhalb Jahre her.«
    Ich war nicht überrascht. »Na ja«, sagte ich. »War den Versuch wert.«
    »Aber wir haben was anderes rausgefunden«, sagte Frank. »Hat wahrscheinlich nichts mit unserem Fall zu tun, aber es ist eigenartig, und in dieser Phase sollten wir uns über alles Eigenartige Gedanken machen. Mal ganz vordergründig betrachtet, was für eine Persönlichkeit hatte Lexie, deiner Meinung nach?«
    Ich zuckte die Achseln, obwohl er mich nicht sehen konnte. Ich fand die Frage irgendwie unangenehm, als wollte er, dass ich mich selbst beschreibe. »Ich weiß nicht. Lebhaft, würde ich sagen. Fröhlich. Selbstbewusst. Voller Energie. Vielleicht ein bisschen kindlich.«
    »Genau. Sehe ich auch so. So wirkt sie auf den Videoclips und in den Darstellungen ihrer Mitbewohner. Aber mein FBI-Kumpel hat von May-Ruths Freunden eine ganz andere Beschreibung bekommen.«
    Etwas Kaltes glitt durch meinen Bauch. Ich stemmte die Füße höher gegen den Baum und fing an, an meinen Fingerknöcheln zu kauen.
    »Sie beschreiben sie als schüchtern, sehr still. Chad dachte, das käme daher, dass sie aus irgendeinem Kaff in den Appalachen stammte. Er hat gesagt, Raleigh wäre für sie ein Riesenabenteuer gewesen. Sie hätte gern dort gelebt, sich aber auch ein bisschen überfordert gefühlt. Sie war sanft, verträumt, liebte Tiere, hatte mit dem Gedanken gespielt, Sprechstundenhilfe in einer Tierarztpraxis zu werden. Jetzt frag ich dich: Klingt das auch nur annähernd nach unserer Lexie?«
    Ich fuhr mir mit der Hand durchs Haar und wünschte, ich hätte festen Boden unter den Füßen. Ich brauchte Bewegung. »Was willst du damit sagen? Denkst du, wir haben es mit zwei verschiedenen Frauen zu tun, die zufällig beide so aussehen wie ich? Eins kann ich dir nämlich sagen, Frank, in diesem Fall ist mir der Appetit auf Zufälle vergangen.« Ich hatte die verrückte Vorstellung, dass immer mehr Doppelgängerinnen aus dem Nichts auftauchten, lauter identische Cassies, die überall auf dem Globus aus der Erde wuchsen, ein Ich in jedem Hafen. Das hab ich jetzt davon, dass ich mir als Kind eine Schwester gewünscht habe, dachte ich irre und unterdrückte ein hysterisches Kichern.
    Frank lachte. »Nein, nein. Du weißt, ich liebe dich, Kleines, aber zwei von euch sind mehr als genug. Außerdem stimmen die Fingerabdrücke von unserer Unbekannten mit denen von May-Ruth überein. Ich finde es nur eigenartig. Kollegen von mir haben schon mal mit Leuten zu tun gehabt, die ihre Identität gewechselt haben – Menschen im Zeugenschutzprogramm, erwachsene Ausreißer, wie unsere Lexie –, und sie sagen alle das Gleiche: Diese Leute waren hinterher dieselben wie vorher. Ein neuer Name und ein neues Leben sind nicht gleichbedeutend mit einer neuen Persönlichkeit. Selbst für einen gut ausgebildeten Undercovercop ist das eine Dauerbelastung. Du weißt selbst, wie es war, rund um die Uhr Lexie Madison sein zu müssen – und wie es jetzt ist, natürlich. Es ist nicht leicht.«
    »Ich komme klar«, sagte ich. Wieder hatte ich den wilden Drang loszulachen. Diese Frau, wer immer sie war, hätte eine großartige Undercoverbeamtin abgegeben. Vielleicht hätten wir unsere Leben schon früher tauschen sollen.
    »Das weiß ich doch«, sagte Frank sofort. »Aber unsere Unbekannte ist eben auch klargekommen, und da sollten wir mal nachhaken. Vielleicht war sie einfach ein Naturtalent, aber vielleicht ist sie auch irgendwo ausgebildet worden, für Undercovereinsätze oder als Schauspielerin. Ich bin dabei, mich umzuhören. Denk du mal drüber nach und achte drauf, ob du irgendwelche Hinweise in die eine oder andere Richtung findest. Was hältst du davon?«
    »Klingt nicht schlecht«, sagte ich und lehnte mich langsam gegen den Stamm. »Gute Idee.«
    Mir war

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